© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/00 24. März 2000

 
Uwe Hoffmann: Die NPD. Entwicklung, Ideologie und Struktur / Holger Apfel (Hrsg.): "Alles Große steht im Sturm"
Vom Haßobjekt zum Nischendasein
Jakob Apfelböck

Der demokratische Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nicht gewagt, um den Deutschen ein Instrument an die Hand zu geben, mit dem sie ihren Willen hätten ermitteln und artikulieren können. Die Wähler mußten erst mühsam Vertrauen aufbauen, um als Repräsentanten eines Volkes gelten zu können, von dem immer wieder einmal Staatsgewalt ausgehen durfte. Aus guten Gründen hat man sie auch hier nicht sich selbst überlassen.

Der Rechtfertigungsdruck lastet seit den Kindertagen der Republik bis in unsere heutige Zeit auf denen, die erfolgreich unter den Verdacht gestellt werden, das deutsche Volk nicht erst durch jene Gesetzestafeln konstituiert zu sehen, die am Herrenchiemsee vom Himmel gefallen waren. Die Rahmenbedingungen der mit der Gründung der Bundesrepublik auch verfassungsrechtlich institutionalisierten Nachkriegsordnung waren dank des Verbots der Sozialistischen Reichspartei (SRP) schon im Jahr 1952 für jeden erkennbar, der sie kennen wollte. Seither geht es auf der Rechten nicht so sehr um Veränderung, sondern zunächst einmal um die Anerkennung, daß die eigene Existenz überhaupt tolerabel ist.

Uwe Hoffmann nun geht in seiner Dissertation davon aus, daß dies für den Fall der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) als Gedankenexperiment ruhigen Gewissens angenommen werden sollte, auch wenn die Literatur hier bislang überwiegend anderen Ansätzen folgt. Diese Partei, so seine These, steht zumindest bis in die frühen neunziger Jahre hinein hinsichtlich ihrer Absichten und ihres Erscheinungsbildes nicht in der Tradition der NSDAP oder der SRP. Dennoch will auch er es sich nicht nehmen lassen, ihren politischen Standort selbst für die Thadden-Aera als mehrheitlich "rechtsextremistisch" zu charakterisieren – was immer das nach seinen detailreichen Untersuchungen dann noch heißen mag. Sein Forschungsinteresse ist darauf gerichtet, die NPD kennenzulernen und nicht, sie unter dem Vorwand einer Entlarvung zu verzeichnen. Dies reicht, um dem Leser eine bisher kaum bekannte Perspektive anbieten zu können, aus der das Bild einer Partei ohne pathologische Züge entsteht. Wer sich darauf einläßt, kann allerdings den fanatischen Haß, mit dem man der NPD in den sechziger Jahren begegnete, kaum noch teilen. Auch Uwe Hofmann ist hie und da ein Kopfschütteln deutlich anzumerken, insbesondere dann, wenn er darstellt, wie sich als seriös geltende Medien vom Schlage der Frankfurter Allgemeinen an allzu durchsichtigen Kampagnen beteiligten.

Zur Ursachenforschung, warum der NPD 1969 nach ihren vorausgegangenen Erfolgen bei Landtagswahlen der Einzug in den Deutschen Bundestag nicht gelang und es – vielleicht die noch interessantere Fragestellung – danach so rapide mit ihr bergab ging, bietet der Autor keine griffige, eindimensionale These an und kommt damit wahrscheinlich der Wirklichkeit am nächsten. Ihm erscheint es als bedeutend, daß von Thadden seine mehr und mehr eskalierende Wahlkampftournee nicht abgebrochen hat. Damit wurden den Gegnern der NPD Anlässe frei Haus geliefert, um sie als eine Krawallpartei darzustellen zu können, die nicht nur außenpolitische Irritationen hervorrief, sondern auch Unruhe in die Innenpolitik trug. Neben dem Image einer Recht und Ordnung verschriebenen Partei verlor sie zudem das Prestige, nicht aufgehalten werden zu können. Die NPD vermochte in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens zwar zu einer Volkspartei im Kleinformat anzuwachsen, doch war sie intern zu ungefestigt, um nach den 4,3 Prozent von 1969 das Selbstvertrauen und eine Perspektive wiederzugewinnen. Auch und gerade der Parteivorsitzende konnte daran nichts mehr ändern: Aus der Distanz Uwe Hoffmanns zeichnet sich zudem ab, welchen Anteil die Politik Adolf von Thaddens wohl am Scheitern gehabt haben dürfte.

Je weiter sich die Darstellung von dieser Ära entfernt, desto schwieriger fällt es auch dem Autor, die NPD so zu porträtieren, als handele es sich um eine Partei, für die Attribute der Normalität angebracht sein könnten. Die Hoffnung, über Wahlerfolge politischen Einfluß zu erlangen, ist erloschen. Die parlamentarische Demokratie verliert an Anziehungskraft, weil man in ihr sowieso nicht mehr mitspielen kann. Das zwischen Speerspitze und Notgemeinschaft Gleichgesinnter schwankende Selbstverständnis verankert die NPD im Nischendasein. Auch hier wahrt Uwe Hoffmann die Konzentration, die Gewichte nicht dort zu legen, wo der größte Lärm geschlagen wurde. Erst in seiner die Politikfelder abschreitenden Untersuchung der NPD-Programmatik in ihrer Entwicklung kommen ihm die Maßstäbe manchmal abhanden. So unterschätzt er wohl das intellektuelle Niveau der Partei in den sechtziger Jahren und wertet ihren Versuch, in akzeptierten Gemeinplätzen zu sprechen, nicht im Kontext der Bemühungen um Etablierung.

Bei allen ideologischen Debatten, die in der NPD nach 1969 mehr und mehr aufkochten, darf nicht ausgeblendet werden, daß die anderen, die erfolgreichen Parteien in jenen Jahren ein aus heutiger Sicht nicht weniger befremdliches Bild abgaben. Zur NPD von heute fällt Uwe Hoffmann wenig ein, was sich zu einem Bild fügen könnte.

Der Eindruck, daß die Partei durch die unter Günter Deckert begonnene und unter Udo Voigt professionalisierte Systemopposition nicht nur mit der Bundesrepublik gebrochen haben könnte, sondern auch mit ihrer eigenen Parteigeschichte, wird zumindest durch jenen opulenten Bildband dementiert, mit dem sie sich selbst zum 35. Jahrestag ihres Bestehens gewürdigt hat. Wo immer dies möglich ist, wird in den Beiträgen zur Geschichte der Partei und in der Erinnerung an ihre führenden Persönlichkeiten um Kontinuität gerungen und der nicht erst seit dem Erscheinen der Republikaner erhobene Anspruch erhoben, die authentische Rechte zu verkörpern. Das Profil von heute wäre demnach nicht mehr und nicht weniger als das Ergebnis eines unbequemen und zumeist unerfreulichen Lernprozesses. Es ist sicher nicht abwegig, im neuen Zug der NPD zum Aktivismus auch eine Fluchtbewegung zu sehen.

 

Uwe Hoffmann: Die NPD. Entwicklung, Ideologie und Struktur. Peter Lang Verlag, Frankfurt 1999. 496 Seiten, Pb., 118 DM

Holger Apfel (Hrsg.): "Alles Große steht im Sturm". Tradition und Zukunft einer nationalen Partei. Deutsche Stimme Verlag, Stuttgart 1999, 475 Seiten, Großformat, zahlr. Abb., 49,80 DM


 
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