© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/00 24. März 2000

 
Parteien: Die Bündnisgrünen entfernen sich immer weiter von ihrer Tradition
Rädchen im Apparat
Volker Kempf

Die Grünen sind aus den museumsreifen achtziger Jahren. Da ist zunächst das linke Lebensgefühl, alles was neu ist müsse besser sein als das, was sich bewährt hat. Aus dieser Haltung heraus entstand mit durchaus ehrenwerten Idealen die Trennung von Amt und Mandat. Bei den Betroffenen ist unterdessen Ernüchterung eingetreten. Außenminister Joseph Fischer etwa meinte vor dem Parteitag bitter, wenn er erzählen würde, was er mit dem Bundesvorstand erlebt habe, dann würde er wegen parteischädigendem Verhalten ausgeschlossen werden.

Was geschehen war, verriet vornehmerweise auch die scheidende Vorstandssprecherin Gunda Röstel nicht. Sie schilderte auf dem Karlsruher Parteitag aber das strukturelle Problem, wonach dem Vorstand die Verbindung zu Parlamentariern und Regierungsmitgliedern fehle. Hieraus seien dann informelle Machtstrukturen hervorgegangen. Mit dieser strukturellen Selbstblockade werden Bündnis 90/Die Grünen auch nach Karlsruhe weiterregieren müssen. Schließlich wollen die Bündnisgrünen eine bessere Partei sein als die mit Helmut Kohl im Spendensumpf steckende CDU. Dabei kommt hier doch nur vordergründig ein Problem von Machtkonzentration durch die Vereinigung von Amt und Mandat zum Ausdruck. Im Kern geht es um die Verfilzung von Wirtschaft und Politik. Konsequent wäre es daher gewesen, die Bündnisgrünen hätten den Rückzug aus der legalen Firmenspendenpraxis an Parteien gefordert. Doch um sich diese Freiheit zu nehmen, ist die Finanzlage bei den Bündnisgrünen zu prekär.

Die Grünen wären nicht grün, würden sie nicht die Natur lieben wie Großstädter, die sich nach ihr sehnen, aber keine Ahnung von ihr haben. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Greenpeace geizten in der jüngsten Vergangenheit denn auch nicht mit vernichtender Kritik an der rot-grünen Bundesregierung. So äußerte Brigitte Behrens, Geschäftsführerin der letztgenannten Umweltorganisation: "Die Notwendigkeit für Greenpeace, durch öffentlichen Druck auf eine konsequente Politik im Interesse des Umwelt- und Gesundheitschutzes zu drängen, ist leider auch unter der rot-grünen Regierung nicht geringer geworden." Und aus dem Atomausstieg ist mit dem in Karlsruhe gefeierten Umweltminister Jürgen Trittin ein 30 Jahre dauernder Atomauslauf geworden.

Ob daraus ökonomisches Kalkül spricht? Wohl kaum. Antje Radke hat im Anschluß an den Parteitag gegenüber einem Journalisten des ARD aus einem vielsagenden Affekt heraus erklärt, der Atomindustrie seien im liberalisierten Strommarkt noch immer Grenzen gesetzt worden. Ihre Augen leuchteten, als habe sie dem Feind, der Industrie, einen kleinen Schlag verpassen können. Genau diese Haltung, nicht mit, sondern genüßlich gegen die Industrie zu agieren, macht Wählerinnen und Wähler skeptisch, die Bündnisgrünen könnten Deutschland wettbewerbsfähig machen.

Ein anderes "alternatives Luftschloß" (Herbert Gruhl), das an der Realität zu scheitern droht wie eine Seifenblase, die gegen eine Wand fliegt, ist der Glaube, alle soziale Probleme könnten auf öffentliche Institutionen abgewälzt werden. Gewiß, es wird immer Gescheiterte geben, denen öffentliche Hilfe zukommen muß. Aber bei gewissen Grünen scheint unser Volk nur noch aus Gescheiterten zu bestehen - vielleicht reden sie von sich selbst. Doch darum wird es erst bei einem der nächsten Parteitage gehen.

So vorgestrig die Haltung der Grünen grundsätzlich ist, so bringt sie doch täglich neue Luftnummern hervor. So steht etwa die Aufregung Joseph Fischers um die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Österreich in keinem Verhältnis zu seinem gnädigen Besuch im Iran. Auch zügige Hilfeleistungen für Mosambique wurden von den grünen Gutmenschen vor lauter Hysterie verschwitzt.

Und was die Bündnisgrünen nicht ohnehin als innere Widersprüche mit sich herumtragen, das besorgt das bürokratische Gehäuse. Abgeordnete werden beschäftigt und damit von oppositionellen Antreibern zu Getriebenen des Apparates. So werden denn auch Atomkraftgegner für die Vergabe von Bürgschaften zum Bau eines chinesischen Atomkraftwerkes eingespannt. Nicht moderner sind die Bündnisgrünen nach Karlsruhe geworden, sondern von einer Alternativbewegung zu Mitläufern, die weder Umweltverbände noch Wähler begeistern.


 
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