© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000

 
Bankenfusion: Die Zukunft im Massengeschäft gehört dem Internet
Abschied vom Kleinsparer
Ronald Gläser

Unternehmensfusionen liegen im Trend. Mit dem Zusammenschluß der Deutschen und der Dresdner Bank gewinnt die Konzentration im Bankgewerbe eine neue Qualität. Die Bilanzsumme des neuen Bankriesen umfaßt mit rund 2,5 Billionen Mark weit mehr als das Volumen eines Bundeshaushalts. Der Wert des Unternehmens wird an den Finanzmärkten mit über 150 Milliarden Mark gehandelt. Das neue Unternehmen ist dann gemessen an seiner Bilanzsumme die größte Bank der Welt. Im Jahr 2003 will das Unternehmen vierzehn Milliarden Mark Gewinn erwirtschaften.

Wie bei den meisten vergangenen Fusionen lautet die Begründung, daß man dadurch dem steigenden Wettbewerbsdruck und der Globalisierung gerecht werden wolle. Zweifelsohne wird das Unternehmen eine weltweit führende Rolle spielen. In den Wortendes neuen Vorstandsvorsitzenden Breuer: "Dadurch entsteht ein europäisches Powerhouse mit globaler Reichweite."

Die Kapitalkonzentration nimmt also zu, und der Abstand zwischen den Riesen und den Zwergen in dieser Branche wird weiter verstärkt. Wirklich bedeutend sind außer der neuen Deutschen Bank in Deutschland nur noch die Commerzbank mit einem Marktwert von 40 Milliarden Mark und die Hypovereinsbank mit einem Wert von 50 Milliarden Mark. Weit abgeschlagen liegen Unternehmen wie die Bankgesellschaft Berlin oder die Deutsche Pfandbriefbank mit einem Börsenwert von etwa sieben Milliarden dahinter.

Der Zusammenschluß der beiden Banken hat weitreichende Folgen. Zunächst fallen 16.000 Arbeitsplätze den Synergieeffekten zum Opfer. Dies hat sofort Reaktionen der Arbeitnehmervertreter hervorgerufen, die wenigstens für die Zukunft eine gesetzlich garantierte Arbeitsplatzgarantie bei Firmenfusionen fordern. Und Ex-Finanzminister Lafontaine schlug ein Gesetz vor, das künftig Fusionen von der Zustimmung der Beschäftigten abhängig machen solle. Auf eine ganz andere Art und Weise machen die Beschäftigungsverhältnisse der nunmehr überzähligen Angestellten den Börsianern Sorgen. Wegen der hohen Abfindungen für die zu entlassenden Banker in Höhe von rund sechs Milliarden Mark fielen die Aktien beider Institute nach der ersten Euphorie über den Zusammenschluß Ende vergangener Woche wieder. 800 Filialen werden geschlossen, das gesamte Privatkundengeschäft wird aus dem Unternehmen ausgegliedert. Damit wird eine Entwicklung verstärkt, die sich bereits in den letzten Jahren angedeutet hatte. Das Privatkundengeschäft ist für die Banken zur Stieftochter geworden. Die Kosten für Filialen und Mitarbeiter sind gemessen an den Erlösen viel zu hoch. Statt dessen verdienen die Banken ihr Geld im Investmentbereich, wo eine höhere Eigenkapitalrendite besteht. Wenn in diesem Zweig überhaupt etwas lukrativ ist, dann die Bedienung vermögender Privatkunden oder das Internetgeschäft, das ohne Filialen auskommt. Dieser Trend ist bei allen Finanzinstituten zu erkennen. Vermutlich wird es, außer den Sparkassen und kleineren Firmen, die in diese Nische stoßen, keine Bankfilialen mehr geben. Arbeitgeberchef Olaf Henkel brachte es auf den Punkt: "Zu lange wurde an alten Arbeitsplätzen festgehalten. Die Zukunft ist Internet und Onlinebanking."

Nach dieser neuerlichen Megafusion wird automatisch die Frage aufgeworfen, wer der nächste †bernahmekandidat sei. Seit der feindlichen †bernahme von Mannesmann sollen sich ausländische Firmen bereits die Hände reiben, weil Vodafone bewiesen habe, daß auch vor großen, deutschen Unternehmen nicht länger Halt gemacht werden müsse. So kursiert seit Tagen an der Börse das Gerücht, die Commerzbank werde von der HSBC, einer asiatischen Großbank, übernommen. Auf Basis der derzeitigen Kursbewertung kommen die beiden Chemieriesen Bayer und BASF in Betracht, die beide in jüngster Vergangenheit eher zu den Stieftöchtern der Anleger gehörten. Noch niedriger sind Versorgerunternehmen wie Veba oder RWE bewertet, die im Zuge der Liberalisierung der Strommärkte mit fallenden Margen zu rechnen haben. Jüngsten Gerüchte zufolge will der britisch/niederländische Ölkonzern Shell RWE schlucken. Selbst die beiden größten Automarken Volkswagen und DaimlerChrysler gelten als "billig" und leben daher mit der Gefahr, von einem fremden Unternehmen einverleibt zu werden. Der Megadeal zwischen General Motors und Fiat vom Wochenbeginn zeigt, wie schnell ein erfolgreicher nationaler Automobilkonzern den

Besitzer wechseln kann. Im Falle Volkswagen wird dies allerdings durch den großen Aktienanteil, den das Lande Niedersachsen an VW hält, verhindert. Staatliche Beteiligungen an Unternehmen erhalten dadurch einen ganz neuen Stellenwert.


 
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