© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000

 
CD: Pop
Bluesig
Holger Stürenburg

Der Blues lebt! Oft totgesagt, ist er nun auch zu Beginn des neuen Jahrhunderts kraftvoll, zupackend und inspiriert in der Musikszene vorhanden. Erster Beweis dieser These: Die neue CD der Blues Band "Brassed up" ist ein Jubiläumsalbum zum zwanzigjährigen Bestehen der Gruppe, bestehend aus Paul Jones, Dave Kelly, Tom McGuiness, Gary Fletcher und Rob Townsend. Ende der Siebziger, als weiterer interessanter Beitrag zur Pubrock-Welle (damals vertreten durch zum Beispiel Mickey Jupp, Nick Lowe oder Dr. Feelgood) begründet, gelang es der Blues Band, eine Mischung aus traditionellem Blues mit poppigen Einflüssen und trockenem Rock zu etablieren, allerdings nur einmal mit einer Coverversion von Bob Dylans "Maggie’s Farm" Hitparadenluft schnuppern konnte. Zum Bandjubiläum erfüllen sich die in Ehren ergrauten Herren einen lang gehegten Wunsch und sind vor einem Jahr mit einer Bläsersektion ins Studio gegangen. Herausgekommen ist eine kochende Mischung aus Swing, Blues, Funk, Big Band Jazz und Soul. Von der Curtis-Mayfield-Coveraufnahme "People get ready" abgesehen, besteht "Brassed up" nur aus bläserverstärkten Eigenkompositionen, die sämtlich ins Ohr gehen und zum Mittanzen bewegen.

Eher traditionell kommt Chris Jagger mit seinem neuen Album "Channel Fever" daher. Chris ist der jüngere Bruder von Mick und hat sich im Gegensatz zu diesem in keiner Form dem Mainstream angepaßt, wie es leider auf den letzten drei, vier Stones-Alben der Fall war. Blues bleibt bei Chris Jagger Blues; das ewig gleiche, aber immer spannende Thema wird zwar erweitert, bearbeitet, verspielt, aber immer auch für Puristen genießbar. Die Akustikgitarre Jaggers arbeitet sich durch die verschiedensten Variationen des Blues, zwischen Liebeslied ("Monique") und witzigem Talking Blues ("Law against it"). Und wenn Bruder Mick auch heute noch so gnadenlose Rocker wie "Crazy" schreiben könnte, wären die Stones weitaus mehr als nur ein Abziehbild vergangener Zeiten. Ansonsten jedoch bleibt "Channel Fever" eher ruhig, gediegen, ab und zu geht’s in Country-Gefilde. Aber auch hier wird in eindrucksvoller Weise die These bewiesen, daß der Blues lebt.

Matt Taylor, ein junger Gitarrist aus Großbritannien, muß sich mit einem Stigma herumquälen, das von seiner Plattenfirma sogar noch als Werbegag genutzt wird: Er ist mit Ex-Take That-Frontmann Gary Barlowe befreundet und hat diesen auf seiner letzten Tournee begleitet. Wer nun jedoch denkt, Taylors neues Album "Mad with the World" enthielte flachbrüstigen Teeniepop und es sei nur eine Frage der Zeit, bis es in den Top 10 auftaucht, wird gottseidank bitter enttäuscht. Zwar ist "Mad with the World" durchaus die poporientierteste der hier vorgestellten CDs, doch auch in diesem Fall ist der Blues die Grundlage von Taylors Musik. Style Council, der spätere Eric Clapton, aber auch New-Wave-Legenden wie Tears for Fears standen Pate bei Taylors Kompositionen, die vor zehn Jahren sicher in jeder besseren Radiosendung gern aufgelegt worden wären. "Mad with the World" ist zwar kein typisches Bluesalbum, besinnt sich aber auf die Wurzeln dieses Musikstils und aktualisiert ihn auf sympathische Weise, weniger verschlafen als etwa Robert Cray, nicht so hitparadengeil wie Gary Moore. Wenn sich Taylor durchsetzt und in Zukunft verhindert, daß auf seinen CDs das Label "Gary Barlowe’s Gitarrist" klebt, wird er sich recht schnell viele Anhänger schaffen.


 
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