© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000


Tierschutz: Wenn in Vergnügungsparks Delphine zu Tode gestreichelt werden
Flipper-Mobbing im Petting-Pool
Ulrike Kirsch /Ulrich Karlowski

Hunderttausende Besucher strömen Jahr für Jahr zu den vier "Dolphin Petting Pools" (Delphin-Streichelzoos) der US-Sea-World-Parks. Dort kann man in speziellen Beckenanlagen gehaltene Große Tümmler erst füttern und dann streicheln. Ein Liebesbeweis mit schwerwiegenden Folgen, die Meeressäuger degenerieren zu aggressiven Freßmaschinen.

Der Petting-Pool im Sea-World Orlando, Florida, ist dicht von hektisch mit kleinen Fischen herumfuchtelnden Touristen umlagert. Elf Delphine tummeln sich am Beckenrand, beißen Artgenossen weg, springen und schnappen nach den hingehaltenen Fischen. Eine Kakophonie aus Kindergeschrei, "come here Flipper"-Rufen und Delphingezirpe heizt die Atmosphäre mächtig an. Das Geschäft ist lukrativ, allein der Fischverkauf bringt in der Hauptsaison einige Tausend Dollar täglich. Und so dürfen die Besucher schalten und walten, es gibt kaum Kontrollen, geschweige denn ein Einschreiten des Personals bis auf wenige Extremsituationen, wo sich Menschen zu sehr in Gefahr begeben.

Nach Informationen der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS) lebten 1995 88 Große Tümmler in der Sea-World-Parks, 1998 waren es schon 106. Etwa 75 bis 80 Prozent dieser Tümmler sollen in den Pools eingesetzt werden. "Wir wollen den Menschen die Gelegenheit geben, Delphine hautnah zu erleben", meint Chef-Delphintrainer Victor Marish. Das bedeutet bis zu 14 Stunden täglich Fisch ohne Ende, Tausende, die sie streicheln, ihnen Finger oder Gegenstände ins Blasloch stecken. Immer wieder werden Plastikbecher, Dosen, Sonnenbrillen und andere Gegenstände ins Becken geworfen, um die Delphine anzulocken. "Diese Objekte können über Monate im Magen des Tieres sein, bevor eine Vergiftung oder ein Geschwür entsteht. Dann ist es aber fast schon zu spät, um sie zu entfernen oder die Krankheit zu heilen. Oberste Priorität sollte daher sein: Der massive Kontakt mit den Menschen und die dauernde Bombardierung mit Lärm führt zu enormem Streß und aggressiven Verhaltensstörungen", sagt Courtney Stark, Biologin bei der WDCS, die in einer umfangreichen Studie viele typische Pool-Situationen dokumentierte. "Bei unterlegenen Tieren treten mit der Zeit krankhafte Symptome wie Magengeschwüre, Schwächung des Immunsystems mit dadurch verursachten lebensbedrohlichen Infektionen auf", so Dr. Sweeney. Doch auch für Streichelfans kann der Kontaktversuch mit den freßgierigen Flippern schmerzhaft enden, wenn diese, der ewigen Lockerein überdrüssig, ihnen in die Hand beißen.

In den Pools fehlt es an den angemessenen Fluchtmöglichkeiten. Zwar gibt es in drei der vier Sea-World-Parks ein Rückzugsareal, doch ist dieses nicht blick- und schon gar nicht lärmgeschützt. Das Design der Anlagen dient mehr dazu, kritischen Besuchern die Illusion einer artgerechten Umgebung zu vermitteln, als den Tieren tatsächlich eine solche zu verschaffen. Nach einer unvollständigen Statistik der US-Meeresfischereibehörde sind seit ihrem Bestehen mindestens 125 Delphine in den Sea-World-Parks gestorben, wieviele davon dem Streichelstreß erlagen, ist nicht bekannt. Die Betreiber halten die Zahlen unter Verschluß.

Wegen mehrerer Unfälle stellte der Gulf-World-Park in Panama City Beach, Florida, 1993 die öffentlichen Delphinfütterungen ein, sieben weitere Parks schlossen ihre Pools. Davon unbeeindruckt, plant das Texas State Aquarium den Neubau einer 11,5 Millionen Dollar teuren Streichelanlage. Man hofft, mit der Eröffnung im Jahr 2000 die jährliche Besucherzahl von derzeit etwa 450.000 deutlich steigern zu können, denn, so Geschäftsführer Steve Ordahl: "Delphine faszinieren die Menschen, wenn man einen berührt, wird man es nie vergessen".


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen