© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/00 10. März 2000

 
Lebensschutz: Die Initiative "Kultur des Lebens" vergibt keine Scheine
Alternative zur Konfliktberatung
Alexander Schmidt

Innerhalb der katholischen Kirche hat die umstrittene Laienvereinigung "Donum Vitae", die Schwangere beraten und auch Beratungsscheine vergeben will, ein Gegengewicht bekommen. Mit der Initiative "Kultur des Lebens" machen jetzt auch katholische Lebensschützer mobil. Hervorgegangen ist die Initiative aus der Stiftung "Ja zum Leben", die auf Betreiben der Bundesvorsitzenden der Christdemokraten für das Leben (CDL), Johanna Gräfin von Westphalen, gegründet wurde. Bei der Vorstellung der Initiative in München betonte Claudia Kaminski, die auch Mitglied im Kuratorium der Stiftung "Ja zum Leben" ist, daß es darauf ankomme, Schwangere in Notsituationen mit einem Hilfsangebot zu einem Leben mit Kind zu ermutigen. "Der Schwangerenfond wird jene Beratungsstellen auf Antrag finanziell unterstützen, die durch bewußten Verzicht auf Scheinausstellung keine oder nur geringe staatliche Mittel bekommen", so Frau Kaminski. Christliche Hilfe für Schwangere sei kein Schein. Vielmehr stimme sie mit dem Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker überein, der forderte, man müsse die Öffentlichkeit über die wichtige alternative Art der Konfliktberatung informieren. Aus diesem Grund sei der Verein auch auf Spenden angewiesen.

Spieker betonte, daß eine Intensivierung der Beratung ohne Schein zu einer "neuen Kultur des Lebens" führen könne. Es könnte ein wirkliches Zeichen gegen den Abtreibungsalltag in Deutschland gesetzt werden. Das Argument, die Vergabe der Beratungsscheine hätte die Zahl der vorgeburtlichen Kindstötungen verringert, wollte Spieker nicht gelten lassen. "Durch die Ausgabe der Beratungsscheine stieg die Zahl der erfaßten Abtreibungen auf über 130.000 jährlich", so Spieker. 97 Prozent der Abtreibungen seien nach Vorlage des Scheins durchgeführt worden. Da aber das Meldedefizit, wie Spieker nachwies, rund 50 Prozent betrage, könne man mit einem Anstieg der Abtreibungen auf 260.000 jährlich rechnen. Das Ziel der Reform des Abtreibungsstrafrechts, vorgeburtliche Kindestötungen zu verringern, sei also verfehlt worden. Deshalb fordere die vom Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber auferlegte Korrektur- und Nachbesserungspflicht den Deutschen Bundestag zum Handeln auf. Die auch von "Donum Vitae" übernommene Argumentation, daß durch die Beratung mit Schein etwa ein Viertel aller abtreibungswilligen Frauen zum Austragen des Kindes bewegt werden könnten (nach Angaben von "Donum Vitae" jährlich 5.000), hält er für abwegig. "Bereits 1973", so der Sozialethiker, sprach die Deutsche Bischofskonferenz von 3.000 bis 4.000 geretteten Kindern durch katholische Beratung, zu einer Zeit also, als es in Deutschland weder einen Beratungsschein noch ein Schwangerschaftskonfliktgesetz gab.

Während der Pressekonferenz unterstrich Norbert Martin, Mitglied des Päpstlichen Rates für die Familie, daß sich sowohl Bischöfe als auch katholische Laien an die Weisung des Papstes halten müßten. Der Papst habe in dieser Hinsicht mit seiner Entscheidung die "Notbremse" gezogen, um beim Lebensschutz einer drohenden "Gleichschaltung" der deutschen Kirche mit dem Zeitgeist entgegenzuwirken. Viel zu lange habe sich die Kirche in eine zu enge Zusammenarbeit mit dem Staat verwickeln lassen, und zwar im Rahmen eines Gesetzes, "mit dem man sich niemals abfinden wollte". Es sei bedauerlich, so Martin weiter, daß sich "Donum Vitae" angesichts steigender Abtreibungszahlen zum Gehilfen einer grundsätzlich verfehlten Abtreibungspolitik mache. Dieser "Teufelskreis" müsse durchbrochen werden, meinte er. Dazu soll die Initiative "Kultur des Lebens" dienen, mit der man hofft, wirksame Hilfe für Schwangere leisten und gleichzeitig das öffentliche Bewußtsein ändern zu können, indem öffentlich Alternativen zur Beratung mit Scheinvergabe angeboten werden.


 
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