© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/00 10. März 2000


Forschung: Wissenschaftler zweifeln an der Höherentwicklung durch Mutation
Eine Verschwörung gegen Darwin
Gerhard Quast

Wie wurde aus einer Reptilschuppe eine Vogelfeder? Wie entwickelte sich aus einem niederen Einzeller ein hochintelligentes Wesen? Wie sind Genfunktionen entstanden? – Die Evolutionstheorie habe dafür zwar jede Menge Erklärungen, eindeutige Beweise blieb sie jedoch bis auf den heutigen Tag schuldig, findet jedenfalls der Berliner Dokumentarfilmer Fritz Poppenberg. Doch das sei eine unbequeme Wahrheit, die kaum jemand hören wolle.

Das hat Poppenberg selbst zu spüren bekommen: Mehr zufällig stößt der Filmemacher 1997 auf das Thema "Evolution". Er liest einige kritische Bücher und faßt den Entschluß, über die Unzulänglichkeiten der Evolutionstheorie eine kontroverse Dokumentation zu drehen. Am 12. Oktober 1998 kommt der Beitrag "Hat die Bibel doch recht? Der Evolution fehlen die Beweise" beim SFB zur Ausstrahlung. Zu Wort kommen darin sowohl Vertreter der Evolutionslehre als auch Kritiker, wie zum Beispiel Siegfried Scherer, Professor für Mikrobielle Ökologie an der Technischen Universität München, der mittels der Bakterien-Genese zu beweisen versucht, daß es eine Höherentwicklung nicht geben könne. Ähnlich skeptisch äußert sich in dem Filmbeitrag der Wissenschaftler Wolf-Ekkehard Lönnig vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung. In dem Kölner Institut seien Millionen von Pflanzenmutationen untersucht worden, doch Beweise für die Richtigkeit der Evolutionstheorie seien nicht gefunden worden. "99,99 Prozent aller Mutationen führen zu Genfunktionsverlusten", so das Fazit Lönnigs.

Der wissenschaftliche Anspruch bleibt unerfüllt

Insgesamt präsentierte Poppenberg ein Meinungsspektrum, das beim Zuschauer nur einen Schluß zuließ: Stichhaltige Beweise für die Evolutionstheorie gibt es keine. Eine Antwort auf die Frage "Hat die Bibel doch recht?" blieb der Berliner Autor in seinem 45minütigen Fernsehbeitrag jedoch schuldig.

Für den SFB war diese Frage allerdings längst geklärt: Die Dokumentation wurde kurzerhand eingezogen. "Hat die Bibel doch recht?" bekam einen Sperrvermerk. Verschwunden ist der evolutionskritische Film jedoch nicht: Poppenberg produzierte davon ein gleichnamiges Video und sorgt seither mit seiner Berliner Firma "Drei Linden Film" für die Verbreitung des Streifens.

Was Poppenberg unter Zuhilfenahme der Computeranimation versucht hat zu zeigen – nämlich das Fehlen eindeutiger Belege für den Ablauf von Evolutionsprozessen –, ist auch das Anliegen von Reinhard Junker und Siegfried Scherer. Unter Mitwirkung von neun weiteren Wissenschaftlern haben die beiden Biologen den Versuch unternommen, die in der Fachliteratur diskutierten offenen Fragen verschiedener Evolutionskonzepte in einer Gesamtschau zusammenzufassen. Herausgekommen ist das wissenschaftlich durchaus anspruchsvolle Buch "Evolution – ein kritisches Lehrbuch" (Weyel Lehrmittelverlag, Gießen 1998).

Nach Meinung der beiden Verfasser können die unterschiedlichen und sich widersprechenden Evolutionstheorien keine befriedigenden Antworten auf die Frage der Entwicklung des Lebens geben und somit auch nicht den Anspruch erheben, als "wahr" zu gelten. Daraus ziehen die Autoren den Schluß, daß der wissenschaftliche Anspruch der Evolutionstheorien nicht erfüllt wird und somit auch andere Erklärungsmodelle anzuerkennen seien. Als Gegenmodell bieten die Autoren die biblische Schöpfungsgeschichte an.

Mit ihrer Kritik an den verschiedenen Formen der Evolutionstheorien stehen diese "Kreationisten" allerdings längst nicht allein. Seit der zu Bertelsmann gehörende Riemann Verlag Reinhard Eichelbecks Abrechnung "Das Darwin-Komplott. Aufstieg und Fall eines pseudowissenschaftlichen Weltbildes" (München 1999) veröffentlichte, ist die Kritik an Charles Darwins Wissenschaftsmodell wieder neu entbrannt und beschränkt sich keineswegs mehr nur auf evangelikale, christliche Kreise.

In Kansas darf Darwin nicht mehr geprüft werden

"Es gibt kein gesichertes Wissen darüber, wie und wo das Leben entstand und wie und warum es die heute vorhandene Gestalt bekam – es gibt nur Annahmen und Mythen, Märchen und Hypothesen", so Eichelbecks provokante Aussage. Insbesondere der "Stammbaum des Lebens" sei unsinnig: "Die Äste haben keine Verbindung zum Stamm, von den ‘Übergangsformen’ (…) wurden bislang nur sehr wenige gefunden, und um die Frage, ob es sich dabei wirklich um Übergangsformen handelt, streiten sich die Gelehrten. (…) Der Mangel an Zwischenformen (‘missing links’) im Fossilbericht, den schon Darwin beklagte und mit der Unvollkommenheit der geologischen Urkunden erklärte, hat sich als Regel erwiesen und nicht als Ausnahme", so der Wissenschaftjournalist Eichelbeck, dessen Streitschrift natur & kosmos im November 1999 zum Anlaß nahm, von einer "Verschwörung gegen Darwin" zu sprechen. Solange es keine bessere Erklärung gebe, "besteht kein Grund, Charles Darwin vom Sockel zu kippen", schreibt das Umweltmagazin. "Durch pseudowissenschaftliche Argumente wird die Gesellschaft verunsichert und seriöse Wissenschaft diffamiert", kommentiert der Biologe Martinus Martin, den der Versuch, Darwin zu widerlegen, im übrigen an eine "Teufelsaustreibung" erinnert.

Aufgeschreckt wurde die Wissenschaftszunft in Deutschland vor allem durch Vorgänge in den USA, wo das Infragestellen der Darwinschen Lehre längst zu Konsequenzen geführt hat: zu einem Nebeneinander von Evolutionstheorie und Schöpfungsgeschichte.

Bereits in acht US-Bundesstaaten (u.a. Kansas, Texas, Arizona und Alaba-ma) haben konservative Christen erste Erfolge im Kampf gegen das evolutionistische Denkmodell erringen können. Evangelikale Gruppen setzten etwa durch, daß im Schulunterricht die Widersprüche der Darwinschen Lehre berücksichtigt werden müssen.

Der Streit um die Darwinsche Evolutionstheorie reicht in den USA bis ins Jahr 1925 zurück. Als die Schulbehörden in Tennessee einem Lehrer verbieten wollten, die Abstammungslehre Darwins zu lehren, zog dieser vor Gericht und bekam vom Obersten Gerichtshof Recht ("Scopes-Affen-Prozeß"). Danach gab es immer wieder Anstrengungen, der biblischen Darstellung Vorrang vor der Evolutionslehre zu verschaffen. Erste Erfolge errangen die "Kreationisten" in den achtziger Jahren in den Bundesstaaten Arkansas und Lousiana. Seitdem muß dort eine ausgewogene Darstellung beider Ansichten im Unterricht erfolgen. Der Bundesstaat Alabama sorgte vor vier Jahren mit der Weisung für Aufsehen, daß alle Biologiebücher mit einem Aufkleber zu versehen seien, der darauf hinweist, daß es sich bei der Evolutionstheorie um eine "kontroverse Theorie" handelt. Am weitesten geht der US-Bundesstaat Kansas. Dort gehört die Entwicklungstheorie im Prinzip zwar noch zum Unterrichtsstoff, darf aber seit August letzten Jahres nicht mehr geprüft werden, so eine Weisung der Schulaufsichtsbehörde.

Mit dieser Anweisung liegt Kansas ganz im Trend: Die Mehrheit der US-Bürger weist die Behauptung, der Mensch stamme vom Affen ab, weit von sich. Für diese Menschen hält die Bibel eine Erklärung über die Entstehung des Lebens bereit, die ihnen vertrauenswürdiger erscheint als eine Wissenschaft, die ihrer Ansicht nach auf Spekulationen aufbaut, aber den Anspruch erhebt, allein gültige Wahrheit darzustellen.


 
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