© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/00 10. März 2000

 
CDU-Krise und Haider-Euphorie: Ins Trümmerfeld der rechten Parteienlandschaft kommt Bewegung
Die Fürsten sollen Farbe bekennen
Moritz Schwarz

Angespornt durch den Erfolg der Freiheitlichen Partei in Österreich gewinnt der Gedanke einer bundesdeutschen Sammlung der konservativen, rechten und freiheitlichen Parteien erneut an Leben. Damit also beginnt ein reges Jäten im Kräutergarten, nach jenen zarten Pflänzchen, deren Würze miteinander verrührt ein für den Wähler verlockendes Aroma zaubert: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.

Der rechtsliberale Bund Freier Bürger (BFB), die konservative Deutsche Partei (DP) und der ehemalige Partner der CDU in der "Allianz für Deutschland", die Deutsche Soziale Union (DSU), planen mit gutem Beispiel voran zu gehen und sich langfristig unter dem für alle akzeptablen Namen "Deutsche Partei" zusammenzuschließen. Dabei ist den Beteiligten klar, daß dies kein Durchbruch, sondern nur ein erster Schritt ist. Angesprochen auf die eklatante politische Schwäche, an der alle drei Parteien auch nach einer Vereinigung wohl nach wie vor leiden werden, antwortete Heiner Kappel, Vorsitzender des BFB, vergangene Woche der JUNGEN FREIHEIT: "Das ist nicht das Entscheidende. Es geht um das Signal in der Öffentlichkeit, das heißen muß: Die Zersplitterung in diesem politischen Lager wird überwunden werden."

Die Zersplitterung soll überwunden werden

Eine Initialzündung also erhofft man sich durch die geplante Fusion, die die anderen Parteien und vielleicht gar das deutsche bürgerliche Lager überhaupt aus seiner Lethargie reißen soll. Angesichts der gegenwärtigen schweren moralischen Krise der CDU ein denkbar günstiger Moment, angesichts der bekannten Engstirnigkeit und Trägheit im rechten Lager ein Projekt, das man nicht zu optimistisch beurteilen sollte. Entscheidend ist vielleicht tatsächlich die Vorbildfunktion: Parteifürsten, die, wie annodazumal so mancher deutsche Duodezfürst, über fast nichts herrschen, ihre Eitelkeiten aber wie ein Sonnenkönig pflegen, sollten gezwungen werden, Farbe zu bekennen.

Der BFB, gegründet von den beiden honorigen FDP- Europa- bzw. Landespolitikern Manfred Brunner und Heiner Kappel, verfehlte sein ursprüngliches politisches Ziel, die Verhinderung des Euro. Obwohl Brunner inzwischen zur FDP zurückgekehrt ist, bemüht sich der Bund weiterhin um die politische Organisation vor allem des nationalliberal eingestellten Mittelstandes. Sein Anliegen ist, im Vergleich zu anderen Rechtsparteien eher reformerisch als weltanschaulich motiviert. Der BFB bringt allerdings nicht nur etwa 1.500 Mitglieder mit, sondern angeblich auch einen gewaltigen Schuldenberg.

Mit offiziell 580 Mitgliedern kleinster Partner im Bunde ist die altehrwürdige Deutsche Partei. Nach der widerrechtlichen Besetzung Schleswig-Holsteins durch preußische Truppen im Jahre 1866 kam es zum Krieg zwischen Deutschland und Preußen. Deutschland, vertreten durch Österreich und diverse Klein- und Mittelstaaten unterlag. Zu diesen Mittelstaaten gehörte auch das Königreich Hannover. Im Zuge der schrittweisen Eroberung Deutschlands durch Preußen wurde Hannover annektiert, besetzt und unterdrückt. Gegen die Okkupanten gründete sich die "Deutsch-Hannoversche Partei". Gegen das preußisch-kleindeutsche schwarz-weiß-rot setzten sie das reichsdeutsche schwarz-rot-gold. Als konservative Partei des niedersäschsichen Bauerntums und Mittelstandes etablierte man sich als welfische Stimme in Bismarcks Reichstag. Bis 1933 ununterbrochen im Reichstag, erzwangen die Nazis schließlich die Auflösung. 1947 wurde die Partei wiedergegründet. Von 1949 bis 1961 stellte sie in Koalition mit der CDU die Bundesregierung, von 1955 bis 1959 mit dem ehemaligen Bundesminister Heinrich Hellwege gar den Ministerpräsidenten von Niedersachsen. Sie bildete stets eine konservative Ergänzung zur CDU. Als die DP 1957 begann, sich auf Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern auszudehnen, verhinderte die CDU die unliebsame Konkurrenz, indem sie eine Reihe DP-Abgeordneter dazu brachte, zur Union überzutreten, und so die DP politisch zerstörte. Konrad Adenauer bezeichnete später die Zerschlagung der DP als seinen schwersten innenpolitischen Fehler. Die Partei schaffte 1961nicht mehr den Einzug ins Parlament und sank zur bedeutungslosen regionalen Splitterpartei herab. 1993 wurde die dahinsiechende DP von konservativen Aktivisten reaktiviert und fühlt sich in Erinnerung an den Ursprung von 1866 der "Verbindung von Konservatismus mit unbedingter Rechtsstaatlichkeit" verpflichtet.

Als "Deutsch Sozial Unbelastet" buchstabiert sich die Deutsche Soziale Union in Ihrem Grundsatzprogramm von 1992 und sieht sich als "christlich-konservative Kraft in Deutschland". Die DSU ist kommunalpolitisch aktivster Teil des kommenden Parteienbundes und stellt momentan über 400 Kommunalvertreter und 18 Bürgermeister in den mitteldeutschen Bundesländern. 1990 unter aktiver Mithilfe der CSU gegründet, war die DSU – ähnlich wie die DP – in Ihrer Anfangszeit mit 6,3 Prozent Stimmenanteil (in Sachsen und Thüringen nahe 15 Prozent) in der letzten Volkskammer vertreten und Koalitionspartner von CDU, FDP und SPD in der ersten und letzten frei gewählten DDR-Regierung. Als die CSU 1991den bayrischen Geldhahn zudrehte, weil die DSU nicht nur einen mitteldeutschen, sondern einen bundesweiten Anspruch stellte, verließen viele die Partei Richtung CDU oder FDP; ein Reihe von Idealisten blieb. Parteichef Rink bringt mit seinen 4.500 Parteimitgliedern den personell größten Anteil in das neue Bündnis ein. Dabei besteht er auf einer "allmählichen Annäherung der drei Parteien". Durchaus könne er sich vorstellen, daß nicht alle drei Partner gleichzeitig fusionieren. Auf jeden Fall aber sieht Rink in dem geplanten Projekt eine Chance.

Dialog ohne Konkurrenz und Eitelkeiten

Unterdessen versucht der Leiter des Friedenskommitees 2000 und Chef der Deutschlandbewegung, Alfred Mechtersheimer, dem rechten Sammlungsprojekt auf andere Art und Weise auf die Sprünge zu helfen. Mit einer in Gründung befindlichen "Deutschen Aufbau-Organisation" möchte er die für eine Vereinigung der demokratischen Rechten nötigen Vorarbeiten in "ruhige und konstruktive Bahnen" lenken. Die Aufbauorganisation soll einen gleichberechtigte Dialog ohne Konkurrenz und Eitelkeiten der verschiedenen Gruppierungen, Parteien und Personen ermöglichen. Nur so könne ein Zerstreiten schon vor einer Einigung verhindert werden.

"Die Erfahrung zeigt," so Alfred Mechtersheimer gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, "daß ein Zusammenschluß der Rechtsparteien über die Parteiführungen nicht machbar ist". Deshalb habe man die Formel vom "Zusammenführen von Personen" (statt Parteien) eingebracht. Mechtersheimer warnt aber vor zu großem Optimismus. Der Zuspruch den die Aufbauorganisation findet, ist laut Mechtersheimer "erstaunlich erfreulich und übersteigt die Erwartungen". Über die weiteren Schritte der Aufbauorganisation möchte Mechtersheimer noch keine Angaben machen: "Das ganze muß wachsen und gedeihen, soll es Erfolg haben. Aufbau ist hier nicht im architektonischen Sinne gemeint, mit fertigem Plan, zeitlicher Frist und Schlußstein, sondern im Sinne einer Gartenpflege, der man Raum und Zeit geben muß."

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT nannte Heiner Kappel als weitere Wunschpartner die Freie Bürgerunion (FBU) und Die Mittelstandspartei (DMP). Die FBU entstand 1989, als die CSU nach dem Tod von Franz Josef Strauß immer mehr in Abhängigkeit zur CDU geriet. Der gegenwärtige Bundesvorsitzende Ortwin Lowack, vierzehn Jahre für die CSU im Bundestag, trat Anfang der neunziger Jahre aus der CSU aus, weil er die korrupten und undemokratischen Zustände bei CDU und CSU, die inzwischen offenbar geworden sind, nicht mehr mittragen wollte. Aber auch inhaltlich empfand er die Politik der Union inzwischen etwa als einen "Betrug am Mittelstand".

Die FBU ist konservativ-patriotisch gesonnen, möchte aber dennoch Deutschland konstruktiv am europäischen Aufbauprozeß mitwirken lassen. Die Partei ist stark auf Bayern konzentriert, wo sie in mehreren mittleren Städten Gemeinderäte stellt. Ortwin Lowack ist einer Fusion gegenüber aufgeschlossen, sieht aber den ersten, schwersten und entscheidenden Schritt im "Aufbau eines verläßlichen und qualifizierten Führungspersonals und nicht in einer Institutionalisierung durch schnelle und große Fusionen". Er und seine 560 Mitglieder setzen auf die strukturelle Kraft eines "langsam wachsenden Prozesses" und hegen deshalb Sympathie für das Aufbauprojekt Alfred Mechtersheimer.

Die DMP sieht ebenfalls den Mittelstand verraten, was umso schlimmer sei, handle es sich dabei doch um die einstmals tragende Gesellschaftsschicht der Bundesrepublik Deutschland. Sie begreift diesen Mittelstand also "nicht nur als wirtschaftliche, sondern, im Gegensatz zur FDP, auch als soziologische Größe". Daher hält sie die radikale laissez-faire-Haltung der FDP in Fragen der Gesellschaftspolitik für beinahe noch verhängnisvoller, als deren völlige Vernachlässigung des eigentlichen Mittelstandes zugunsten der Fleischtöpfe gewichtigerer Wirtschaftsgrößen.

An einer Zusammenarbeit oder Fusion hat die DMP grundsätzlich Interesse. Weltanschaulich unterscheidet sie sich erheblich von den übrigen Parteien: So hält sie den Begriff "deutsch" für "bedenklich mißverständlich", ist eher rein europäisch ausgerichtet. Die DMP hat etwa 600 Mitglieder bundesweit.

Der vielleicht entscheidende Faktor dieser großen Gleichung, auch wenn viele vorziehen, das zu ignorieren, sind wohl die Republikaner. Parteichef Rolf Schlierer begrüßt die Bewegung, die jetzt entstanden ist. Auch die Republikaner, erklärt er, seien grundsätzlich zur Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Parteien bereit, vielleicht auch zu mehr. Den eigenen Parteinamen um die Zusatz "Deutsche Partei" zu erweitern, wie das jetzt von BFB und DSU als ersten Schritt hin zur Vereinigung ins Auge gefaßt ist, hält er für durchaus denkbar. Anders als jene zeigt er aber kein Interesse daran, den eigenen Namen aufzugeben. Schlierer gibt sich selbstbewußt und erklärt klar, daß bei einer Zusammenarbeit oder Fusion die beteiligten Parteien "entsprechend ihrer politischen und organisatorischen Bedeutung gewichtet werden müssen". Immerhin haben die Republikaner 15.000 Mitglieder und eine stabile Landtagsfraktion in Baden-Württemberg vorzuweisen. Von Mechtersheimers dialogorientierter Aufbauorganisation der völligen Gleichgewichtung hält Schlierer nicht viel. Die Position des Republikaner-Vorsitzenden ist einleuchtend, aber er bleibt eine Erklärung schuldig, wie sich unter diesen Bedingungen eine Fusion mit den rechten Kleinparteien von einem Selbstaufgabe-Anschluß der Kleinen an die Republikaner unterscheiden soll.

Unterdessen zeichnet sich in Magdeburg ein interessanter neuer Aspekt ab. Nach dem verwickelten Zerfall der dortigen DVU-Landtagsfraktion in Anhänger und Gegner des Parteichefs Frey, haben letztere in einer Stärke von neun Abgeordneten um die allseits geachtete alte und neue Fraktionschefin Claudia Wiechmann eine neue Partei unter dem Namen "Freiheitliche Deutsche Volkspartei" (FDVP) gegründet. Die FDVP rekuriert weder auf Jörg Haiders Freiheitliche noch auf die alte deutsche DVP. Stattdessen will die Fraktions- und Parteivorsitzende den Namen programmatisch interpretiert wissen. "Volkspartei" etwa soll den unbedingten basisdemokratischen Anspruch, Politik für und im Dialog mit den Menschen auf der Straße zu machen anzeigen. Die Rückführung der Politik aus den Händen etablierter Funktionärspolitiker, die die demokratische Legitimation lediglich zur Ausübung ihrer Macht mißbrauchen, zu den Wählerinnen und Wählern, sei das Ziel.

Die neue FDVP-Fraktion verfügt allerdings praktisch über keine Partei. Claudia Wiechmann ist aber optimistisch, täglich "gehen jetzt neue Beitrittserklärungen" bei ihr ein. Die große Hürde ist allerdings die Landtagswahl in zwei Jahren. Wie die FDVP diesen Urnengang überleben will, bleibt vorerst noch ein Rätsel. Doch man läßt sich nicht schrecken und strebt gar eine bundesweite Ausdehnung an, wobei der Schwerpunkt in den neuen Ländern liegen soll.

Kontakt zur "Aufbauorganisation" von Alfred Mechtersheimer hat man schon aufgenommen, und eine Zusammenarbeit oder gar Fusion kann sich Frau Wiechmann zugunsten der Sache durchaus mit allen demokratischen Rechtsparteien vorstellen. Auch die Republikaner kommen für sie in Frage. Lediglich den derzeitigen Parteichef Rolf Schlierer will sie nicht akzeptieren und wirft ihm einen autoritären Führungstil vor, der "dem eines Gerhard Frey nicht wesentlich nachstehe". So ist das Ende der Geschichte offen.


 
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