© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/00 03. März 2000

 
Meldungen

Eichmann-Memoiren werden freigeben

JERUSALEM. Israel wird die bisher unveröffentlichten Memoiren Adolf Eichmanns einer vom britischen Historiker David Irving verklagten US-Autorin zur Verfügung stellen. Wie das israelische Justizministerium mitteilte, sei eine entsprechende Anfrage der Verteidiger von Deborah Lipstadt positiv beschieden worden. Bisher hat Israel die Aufzeichnungen nur einem handverlesenen Kreis von Historikern zugänglich gemacht. Jetzt sollen sie rasch den Anwälten Lipstadts übergeben werden, damit sie ihren Vorwurf erhärten könne, Irving, der zuletzt behauptet habe, Auschwitz hätten polnische Kommunisten nach dem Krieg als "eine Art Disneyland" aufgebaut, sei ein "gefährlicher Vertreter der Leugnung des Holocaust". Der israelische Historiker Roni Stauber sagte, die Freigabe der Eichmann-Memoiren werde zeigen, daß der "Vernichtungsfeldzug gegen die Juden" gut dokumentiert sei. Eichmann schrieb seine Erinnerungen in israelischer Haft, nachdem er 1960 aus Argentinien entführt und vor Gericht gestellt worden war. Er wurde zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet.

 

Finkelstein-Kontroverse weitet sich aus

BERLIN. Das Interview, das der New Yorker Politikwissenschaftler Norman Finkelstein Ende Januar der Berliner Zeitung gab, und das die fragwürdige Rolle der Jewish Claims Conference (JCC) thematisierte (JF 6 und 7/00), zieht immer weitere Kreise. Nachdem der Berliner Zeithistoriker Wolfgang Benz Finkelsteins Behauptung, der JCC operiere mit einer zu hohen Zahl entschädigungsberechtigter Zwangsarbeiter, bestätigte, scheint das linksliberale Blatt die Geister, die es rief, zu fürchten. So räumte die Redaktion zwar dem JCC mehrere Spalten ein, um sich gegen Finkelsteins Vorwürfe zu wehren, doch der vom JCC hart angegriffene Kritiker muß seinerseits hinnehmen, daß seiner Replik bis heute die Veröffentlichung verweigert wird. Darin spitzt Finkelstein seine Thesen zu der gut fundierten Pointe zu, daß den JCC-Opferzahlen zufolge heute mehr jüdische Sklavenarbeiter am Leben sein müssten als 1946! Er stützt sich dabei auf Studien anglojüdischer Forscher wie Ronald Zweig ("Deutsche Wiedergutmachung und jüdische Welt", Boulder/USA, 1987) oder auf die Monographie von Nana Sagi ("Deutsche Wiedergutmachungen", Jerusalem 1980). Diese und eine große Zahl weiterer Arbeiten zur Geschichte Israels und jüdischer Organisationen in der Diaspora wurden nicht ins Deutsche übersetzt und von "unseren" Zeithistorikern nie rezipiert - geschweige denn, daß von den sonst munter sprudelnden, zur Aufdeckung von "NS-Untaten" noch im kleinsten Weiler verwendeten Forschungsgeldern einmal etwas in diese Richtung geflossen wäre. Die Finkelstein-Kontroverse offenbart also einmal mehr den provinziell-autistischen "Germanozentrismus" (Ernst Nolte) der bundesdeutschen Zeitgeschichtsforschung. Inzwischen hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann Finkelsteins Behauptungen in zwei kleinen Anfragen an die Bundesregierung aufgegriffen. Die knappen Antworten des Bundesfinanzministeriums stützen die JCC-Position: Weder sei der Bundesregierung bekannt, daß die JCC (wie Finkelstein ihr vorwirft) Gelder an Opfern vorbeigeleitet habe, noch gebe es Indizien für Befürchtungen, daß die JCC bei der neuen Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" die Chance eines zweckentfremdenden Zugriffs erhalte.


 
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