© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/00 03. März 2000

 
USA: Der Kandidat der Reformpartei als Zünglein an der Waage
Fallstrick der Republikaner
Michael de Wet

New Hampshire ist immer für eine Überraschung gut. In New Hampshire war vor vier Jahren bei den "Primaries", den Vorwahlen, in denen die Mitglieder der großen Parteien der USA ihren Präsidentschaftskandidaten ermitteln, der ehemalige Senator Bob Dole, bis dahin Favorit der Republikaner, überraschend dem Rechtsaußen der Partei, den Fernsehjournalisten Patrick Buchanan, unterlegen. Das kleine New Hampshire, als von eigensinnigen Starrköpfen bevölkerter "Granitstaat" gefürchtet, blieb seinem Ruf auch bei den diesjährigen Vorwahlen treu. Und wieder war es der Favorit der Republikanischen Partei, der hier eine deutliche Abfuhr erlitt. George W. Bush, Gouverneur von Texas und Sohn des einstigen Präsidenten George Bush, mußte sich in New Hampshire mit 31 Prozent zufriedengeben, während der Vietnam-Veteran und Senator aus Arizona John McCain überraschende 49 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte. Die übrigen drei Bewerber der Republikaner erhielten – ähnlich wie im Bundesstaat Iowa, wo die ersten Primaries stattfanden – derart wenige Stimmen, daß sie bereits im Vorfeld der Kampagne aus dem Rennen ausgeschieden sind.

Spannend bleibt es auch bei den Demokraten. Deren bisheriger Favorit, Vizepräsident Al Gore, der nicht nur die Gunst des Amtsinhabers Bill Clinton, sondern auch die Protektion von Edward Kennedy genießt, kam bei dieser Vorwahl auf 53 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer Bradley, ein Senator aus New Jersey auf 47 Prozent. Auch hier dürfte es bis zum März, wenn in insgesamt 14 Staaten die Primaries stattfinden und darüber entschieden wird, wieviel Delegiertenstimmen die Kandidaten auf sich für die Wahlkongresse der Parteien im Sommer vereinen, spannend bleiben. Al Gore kann zwar auf seine Sachkompetenz verweisen, insbesondere in Umweltfragen. Im Wahlkampf blieb er allerdings lange Zeit befangen, steif, hölzern. Erst seit dem Erfolg von Iowa scheint ein gewisser Kampfgeist in ihm erwacht zu sein. Daß New Hampshire für ihn ein schwieriges Pflaster werden würde, war im übrigen vorhersehbar, da dort, anders als in anderen Bundesstaaten nicht nur Parteimitglieder, sondern auch unabhängige Anhänger an den Vorwahlen teilnehmen können.

Am Rande der demokratischen Wahlkongresse spukte auch diesmal wieder der Exzentriker Lyndon La Rouche als selbsternannter Präsidentschaftsbewerber herum und versuchte, einige demokratische Wähler für sich zu gewinnen. Während sich LaRouche als Randfigur der Primaries abkämpft, hat einer seiner früheren Mitarbeiter die Mühen der Ebenen längst hinter sich gelassen. Fred Newman, alter Weggefährte LaRouches aus dessen in den sechziger Jahren gegründeten Trotzkistischen Arbeiterpartei, fand nun auf den verschlungenen Pfaden seiner politischen Biographie zur dritten politische Kraft der USA, zur Reformpartei des texanischen Milliardärs Ross Perot. Dort tauchte er als "Theoretiker und Taktiker" im Gefolge von Lenora Fulani auf, einer schwarzen Bürgerrechtlerin vom linken Rand, die sich 1988 als Präsidentschaftskandidatin für die "New Alliance Party" zur Wahl stellte. Mag man den Weg des Gespanns zur konservativ-populistischen Reformpartei schon als bizarr empfinden, so verschlägt die parteiinterne Positionierung des Duos auch den erfahrensten Beobachtern der politischen Szene der USA den Atem: Die beiden Ex-Marxisten finden sich nämlich unter den Unterstützern einer Kandidatur Patrick Buchanans wieder. "Wenn Nixon nach China gehen konnte, dann kann Buchanan auch zu Fulani gehen", zitierte das amerikanische Magazin "Talk" in seiner Dezember/Januar-Ausgabe einen ehemaligen Weggefährten der Ex-Trotzkisten.

Die "New Republic" sieht in dem Schulterschluß der beiden Linken mit dem Erzkonservativen indes vor allem ein Paradebeispiel für einen gelungenen Marsch durch die Institution: "Für Leonora Fulani und Fred Newman ist der lange Untergrundkampf jetzt vorbei. Seit den sechziger Jahren haben sie nach Wegen gesucht, das politische Establishment zu infiltrieren, und nun, mit der Reformpartei, ist es ihnen gelungen."

Buchanan hatte im Oktober nach 40 Jahren seine Mitgliedschaft in der Republikanischen Partei gekündigt und den Übertritt zu den Reformern vollzogen, für die er als Präsidentschaftsbewerber antreten möchte. Seine Kandidatur dürfte vor allem den Republikanern schaden, denen er mit seinem Ruf nach einem nationalistisch-isolationistischen Kurs unter der Devise " Amerika zuerst" etliche, vor allem christlich-fundamentalistisch geprägte Wähler der sogenannten WASPs (White-Anglo-Saxon-Protestants) abjagen dürfte. "Konservativismus mit Herz" lautet die Devise von George W. Bush - für die christlich-fundamentalistischen, mitunter geradezu reaktionären WASPs ist dies allerdings viel zu lasch. Auf sie übt ein im Stil der Fernsehprediger agitierender Pat Buchanan weit mehr Faszination aus. Bei der Präsidentschaftswahl 1992 eroberte Perot, der landesweit auf 19 Prozent kam, für sich die entscheidenden Stimmen, die George Bush zu seiner Wiederwahl fehlten. Ironie der Geschichte: Auch bei der bevorstehenden Wahl könnte für einen George Bush – diesmal für den Junior - die politische Karriere von der Reformpartei durchkreuzt werden.

Pünktlich zum Wahlkampfauftakt erschien Buchanans Buch "A Republic, Not An Empire", in dem er seine mitunter recht eigenwilligen Geschichtsinterpretationen darlegte: So sei der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg verfrüht, wenn nicht gar grundsätzlich falsch gewesen und nach dem Zweiten Weltkrieg sei "der jüdische Einfluß auf die Außenpolitik für die führenden amerikanischen Politiker nahezu zu einer Obsession" geworden. Ähnlich politisch unkorrekt auch seine Gedanken über die Migrations- und Minderheitspolitik: "Die liberale Elite beruhigt ihr soziales Gewissen, indem sie Amerikas weißer Mittelklasse ihr Geburtsrecht raubt und es den Minderheiten aushändigt." Auch von der Nato-Osterweiterung hält der streitbare Nachfahre deutsch-irischer Vorfahren wenig, vielmehr plädiert er für einen Rückzug der US-Truppen aus Europa und ein Ende des Nato-Engagements auf dem Balkan.

Da paßt es auch, daß sich Buchanan als erster amerikanischer Politiker positiv über Jörg Haider äußerte: "Ich sehe keine Bedrohung für Europa, die Welt oder irgendwo durch Herrn Haider und diese neue Koalitionsregierung" erklärte Buchanan kürzlich auf einer Parteiversammlung in Richmond. Und um das Maß des politisch Unkorrekten voll zu machen, fiel Buchanan nach Bekanntwerden des neuen österreichischen Kabinetts nicht in die allgemeine Haider-Hysterie ein, sondern riet vielmehr, das sachliche Gespräch mit den Freiheitlichen zu suchen.

Bis vor zwei Wochen stand Buchanans Kandidatur für die Reformpartei freilich noch auf Messers Schneide. In Gestalt des New Yorker Millionärs, Baulöwen und Spielkasinobetreibers Donald Trump hatte er innerparteilich einen gefährlichen, weil finanzstarken Konkurrenten zu fürchten, der zudem noch die Protektion seines Freundes Jesse Ventura, Gouverneur von Minnesota, genoß. Trump, bekannt für seine zahllosen Frauenaffären, vertritt all jene liberalen bis libertären Forderungen, die Buchanan und dem ihm nahestehenden Parteigründer Perot zutiefst zuwider sind: die Liberalisierung der Drogenpolitik, die Freigabe der Abtreibung, eine großzügige Einwanderungspolitik.

Doch Trump verzichtete kürzlich auf die Präsidentschaftskandidatur, nachdem ein außerordentlicher Parteikongreß der Reformer in Nashville/Tennesee mit handfesten Tumulten und der Entmachtung des linken Parteiflügels endete. "Es war ein für die gewöhnlich in Amerika äußerst zivilen politischen Zusammenkünfte untypisches Spektakel. Da gab es wildes Geschrei, Haare raufende Frauen und Männer, die sich benahmen wie bei einer Schlägerei in der Kneipe. Unter den Augen der Fernsehkameras führten die Fußsoldaten Perots und Venturas eine Art Stellvertreterkrieg" berichtete lamoyant der FAZ-Korrespondent über die Versammlung. Der Stellvertreterkrieg endete mit dem Sieg des rechten Flügels. Der erst vor einem Monat durch massive Hilfe Venturas als Nachfolger Perots gewählte Parteivorsitzende Jack Gargan wurde gestürzt. Jesse Ventura, der einzige Gouverneur, den die Reformpartei in einem Bundesstaat stellt, erklärte daraufhin seinen Austritt aus der Partei. Buchanans national-religiöser Kurs habe ihn von Anfang an angewidert, so der im Zorn Scheidende; überdies ertrage er nicht länger, einer Partei anzugehören, für die sich mit David Duke auch ein ehemaliger Funktionär des Ku-Klux-Klans und früherer Präsidentschaftskandidat der agrarisch-rechtsgerichteten "Populist Party" erwärme. Der nunmehr parteilose Gouverneur von Minnesota erwägt jetzt die Gründung einer eigenen "Independence Party". In der Kürze der Zeit wird diese aber aller Voraussicht nach nicht zu den Wahlen im November antreten. Ventura selbst steht nicht für eine Präsidentschaftskandidatur zur Verfügung und auch Trump hat dankend abgewunken.

Buchanans Chancen, auf dem im Sommer anstehenden Nominierungskongreß Präsidentschaftskandidat der Reformpartei zu werden, sind nach dem Parteikongreß von Nashville deutlich gestiegen. Hätte Trumps Wahlantritt vor allem linke Wähler gebunden und somit den Demokraten geschadet, so dürfte seine Kandidatur den Republikanern Stimmen kosten. Die Reformpartei, für deren Wahlkampf 13 Millionen Dollar aus der staatlichen Wahlkampfhilfe zur Verfügung stehen, könnte sich also – wieder einmal – als Fallstrick der Republikaner und Pat Buchanan als bester Wahlhelfer Al Gores erweisen.


 
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