© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/00 03. März 2000


Friedrich Bohl
Advokat des Paten
von Alexander Schmidt

Um Helmut Kohl wird es langsam stiller. Jetzt gerät plötzlich Friedrich Bohl, der während der Regierungszeit Kohls als "Scharnier" zwischen der damaligen Regierung und Mehrheitsfraktion mehr Vasall als Protagonist war, ins Sperrfeuer. Ihm wird vorgeworfen, als Chef des Bundeskanzleramtes Akten zur Privatisierung des Leuna-Konzerns und Papiere, in denen Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien dokumentiert gewesen sein sollen, nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 gelöscht zu haben. Er selbst, erklärte Bohl, habe nie Datenlöschungen in Auftrag gegeben, allenfalls seien Notizen parteipolitischen Inhalts und Dateien, die über interne Strategien Aufschluß geben könnten, vernichtet worden. An alles weitere könne er sich nicht erinnern.

Das Fehlen der besagten Ordner ist schon seit 1992 bekannt gewesen, jedoch habe vorher niemand dem Vorgang eine größere Bedeutung zugerechnet. Im Finanzministerium lagerten schließlich Kopien. Doch offenbar existieren auch dort nicht alle Unterlagen. Weil auch eine Registraturkarte zu den verlorenen Dokumenten gehört, kann nicht festgestellt werden, was tatsächlich fehlt. Es gibt Hinweise darauf, daß an den dort liegenden Akten Manipulationen vorgenommen worden seien, wie der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Volker Neumann, erklärte.

Ein telefonisch geführtes Interview Bohls mit dem Tagesspiegel  führte zu weiterer Verwirrung, da einige Passagen, wie Bohl erklärte, verfälscht wiedergegeben worden seien. Der Fall wird gerade vom Bundeskriminalamt geprüft. Inzwischen eilte Helmut Kohl seinem früheren Berater zur Hilfe und schloß aus, daß er Akten verschwinden ließ. So läßt er einem seiner loyalsten Mitarbeiter seinen Schutz zukommen. "Ich berate den Kanzler, der Kanzler entscheidet", soll Bohl einmal gesagt haben. Danach vertrete er die Entscheidungen des Kanzlers.

Dem Marburger Abgeordneten wird nachgesagt, daß große politische Entwürfe ihn ebensowenig wie weiteres Streben nach Macht charakterisierten. Bohl, seit seiner Schulzeit Mitglied der JU und CDU, blieb nach seinem Studium der Rechtswissenschaften noch kurze Zeit an der Marburger Universität, bevor er sich in seiner Heimatstadt als Rechtsanwalt niederließ und nach einer Ochsentour durch die Partei 1980 in den Bundestag einzog. Vier Jahre später wurde er Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, im November 1991 Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, später auch noch zugleich Chef des Bundespresseamtes. Für Friedrich Bohl wird jetzt der politische Weg beendet sein, nicht wegen verschwundener Akten, sondern als Ballast des Systems Kohl, mit dem der 55jährige untrennbar verbunden ist.


 
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