© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/00 25. Februar 2000

 
CeBIT 2000: Kommunikation steht für die Hightech-Branche wieder im Mittelpunkt
Eine Duftprobe aus dem Internet
Ronald Gläser

Ab Donnerstag präsentieren sich auf der CeBIT in Hannover die wichtigsten Unternehmen der Hightech-Branche. Auf 408.000 Quadratmetern stellen rund 7.500 Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen aus. In Ausmaß und Umfang ist diese Ausstellung nur mit der Internationalen Funkausstellung in Berlin vergleichbar, die ein ähnliches Publikum anzieht.

Da sich die CeBIT eigentlich an Geschäftskunden richtet, wurden in diesem Jahr einige Unternehmen regelrecht ausgeladen. Zudem hat sich der Computerproduzent Apple gegen eine Teilnahme an der Messe entschieden. Dennoch werden insbesondere Privatkunden das Ausstellungsgelände bevölkern. Das Interesse an technischen Innovationen ist im Zeitalter immer kürzer werdender Produktlebenszyklen ungebrochen.

In diesem Jahr hält sich die Zahl der Neuheiten in den Bereichen Computer, Unterhaltungselektronik und Kommunikation allerdings in Grenzen. Dafür erleben skurrile Erfindungen wie der interaktive Kühlschrank oder der biologisch abbaubare Monitor aus Flachs ihre Premiere. Als besonders ausgefallen gilt eine neue Computermaus von IBM, deren Sensoren die Feuchtigkeit und den Herzschlag des Anwenders registrieren. Wird eine Änderung der emotionalen Stimmung bemerkt, könnte der Rechner beruhigende Musik spielen oder ein Spiel starten. Neu sind auch Bildschirme, die die Farbe und den Kontrast der Lichtintensität des Raumes anpassen und sich automatisch ausschalten, wenn sie feststellen, daß niemand mehr vor ihnen sitzt.

Die Firma NCR erweitert die Möglichkeiten des Rechners, der bisher Bilder und Töne produziert, um Düfte, die mittels chemischer Reaktionen in einem kleinen Zusatzgerät hervorgerufen werden sollen. Einer kostenlosen Duftprobe eines neuen Parfums, dessen Zusammensetzung über das Internet übertragen wird, steht dann nichts mehr im Weg.

Neben solchen Trends kommen auch wirklich sinnvolle Innovationen auf den Markt. Übersetzungsgeräte, die simultan arbeiten und angeblich eine uneingeschränkte Kommunikation ermöglichen, sollen erschwinglich werden. Erfreulich ist die Tatsache, daß graue Computer bald der Vergangenheit angehören, nachdem Apple mit dem neuen McIntosh eine Vorreiterrolle in Sachen farbenfrohes Äußeres übernommen hat.

Das neue Windows 2000 wird auf der CeBIT in Deutschland vorgestellt. Das Betriebsystem soll noch besser sein als seine Vorgängerversionen Windows95

und Windows98. Es ist auch viel teurer. Der Softwareriese Microsoft wird trotz des Rücktritts von Bill Gates von zwei Seiten bedroht. Zum einen scheint eine Zerschlagung des Konzerns in mehrere Teile infolge des Kartellverfahrens unmittelbar bevor zu stehen. Andererseits drängen immer mehr Firmen mit neuen Linux-Produkten auf den Markt. Linux kann als das erfolgreichste Konkurrenzprodukt zum Microsoft-Betriebssystem gelten. Zu den Vorteilen gehört eine höhere Stabilität und die Tatsache, daß es durch den Kunden individuell verändert werden kann. Vor allem aber ist es umsonst. Nun kommen immer mehr Produkte für Linux auf den Markt, so daß das Betriebssystem auch für Kunden, die weder Experten noch Programmierer sind, interessant wird. Eine neue

Linuxversion kommt von Corel und wird ebenfalls auf der CeBIT vorgestellt.

Im Bereich der Unterhaltungselektronik gewinnt die nichtmaterielle Speicherung von Audio- und Video-Inhalten immer mehr Bedeutung. Neue, kleinere MP3-Spieler dürften bald den Walkman ablösen. 14 Jahre nach ihrer Einführung ist die CD völlig veraltet. Die leistungsfähigere DVD hat dieses Medium endgültig abgelöst.

Rund um das Thema Kommunikation ist mit bahnbrechenden Neuerungen nicht zu rechnen: Die Nachfolger der augenblicklichen Handy-Generation sind noch nicht vollständig entwickelt. Angeblich wird Nokia einen neuen "Communicator" mit einem mehrfarbigen Display auf den Markt bringen. Satellitentelefone sind mit 3.500 Mark noch immer unerschwinglich. Und Videokonferenzen bleiben wegen der hohen Kosten auch in Zukunft eine Erfindung für Geschäftskunden. Wirklich nützlich ist nur eine neue Telefonanlage, die sich regelmäßig kostenlos aktualisiert und den Kunden automatisch zum günstigsten Preis vermittelt, ohne daß dieser eine Vorwahl wählen muß.

Zur Zeit arbeiten die Telefongesellschaften an leistungsfähigeren Mobilfunknetzen, die eine sehr viel höhere Übertragungsrate ermöglichen sollen. Gleichzeitig ist der Internetzugang via Stromnetz im Gespräch. Allerdings wurden diese beiden Projekte auch vor einem Jahr schon angekündigt, ohne daß die Telefon- und Stromgesellschaften der Realisierung seitdem nähergekommen wären.

Trotzdem wird die Kommunikation wieder im Mittelpunkt stehen. Im Jahr Drei des Wettbewerbs auf dem Telefonmarkt in Deutschland sind die Fronten festgefahren. Die Deutsche Telekom steht stärker denn je da. Lokale Telefonnetze wie NetCologne oder BerliKomm haben sich bisher nur einen kleinen Teil der Kunden sichern können.

Der größte Gegenspieler im Telefonmarkt, die Mannesmann AG mit ihren Töchtern wie Mannesmann D2, Arcor und Otelo liegt selbst im Mobilfunkgeschäft hinter dem ehemaligen Monopolisten. Veba hat sich aus dem Telefongeschäft zurückgezogen, indem es zuerst Otelo an Mannesmann und dann E-Plus an die holländische KPN verkauft hat. Durch die Fusion mit Viag wird Veba allerdings auch deren kränkelnde Telefon-Tochter Viag Intercom erwerben.

Andere private Konkurrenten der Telekom wie MobilCom haben mittlerweile auch alle Asse ausgespielt und konzentrieren sich auf Internet- und andere Geschäftsbereiche. Der Internetprovider AOL, so heißt es in Branchenkreisen, erwägt sogar eine Kapitulation vor der mächtigen Telekom-Tochter T-Online. AOL erwägt nach hohen Millioneninvestitionen den Rückzug aus Europa.

Die Telekom steht nach der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone Airtouch als einzige bedeutende, nationale Telefongesellschaft da. Doch nachdem die "Bastion" Mannesmann gefallen ist, glauben ausländische Investoren, sich auch weitere deutsche Unternehmen einverleiben zu können. Selbst die Telekom gilt als Übernahmekandidat.

Für die erfolgsverwöhnten Mannesmann-Aktionäre könnte sich die Niederlage in der Fusionsschlacht mit Vodafone indes auch als finanzielles Fiasko erweisen. Der hohe Preis, den die Briten für die Gesellschaft zahlen mußten, wird den Gewinn auf Jahre drücken. Außerdem ist die Zukunft des Geschäfts in Deutschland ungewiß, wenn Mannesmann nunmehr als ausländische Firma auf Messen wie der CeBIT firmiert.


 
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