© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/00 25. Februar 2000

 
USA: Innerjüdische Kontroverse zur Boykott-Politik gegen Österreich
Ein neues "Reich des Bösen"
Irene Casparius/Ivan Denes

Glaubt man jenen bundesdeutschen Medien, die sich ihrer Meinungsführerschaft gewiß sind, dann wird Haiders Österreich seit drei Wochen als neues "Reich des Bösen" von einer Internationale der Gutmenschen boykottiert, deren Reihen fest geschlossen sind und die in ruhig festem Schritt bald gen Wien marschiert. Doch nicht erst CSU-Reisediplomatie, dänische Widerborstigkeit in Brüssel und die angesichts südspanischer Unruhen hohl klingenden "Rassismus"-Warnungen Madrids, ließen Risse in dieser vermeintlich fest gefügten Front erkennen. Auch wer die Jerusalem Post der letzten Tage verfolgt, bemerkt, daß die Barak-Regierung nicht nur keine einheitliche Position bezieht, sondern daß Haider aufgrund der Eskalation im Libanon rasch von der Titelseite verschwunden ist. Und wer die angelsächsische Presse liest, erkennt, daß die US-Regierung, ungeachtet der in deutschen Medien so hochgespielten Rückberufung ihrer Wiener Botschafterin, einen pragmatischen Kurs gegenüber der neuen ÖVP/FPÖ-Koalition fährt.

Nach ihrer Rückkehr in Wien hat Botschafterin Hall Kanzler Schüssel eine entsprechend moderate Erklärung übermittelt. Demnach beabsichtigen die USA an der "engen Zusammenarbeit" mit der österreichischen Regierung festzuhalten und dabei drei Schwerpunkte zu setzen: Der von Staatssekretär Stuart Eizenstat forcierte "Dialog" über "Entschädigung und Wiedergutmachung" des "Nazi-Unrechts" solle zu einem Abschluß gebracht werden, Österreich müsse seinen OSZE-Vorsitz "richtungsweisend und tonangebend" (nach Maßgabe amerikanischer Interessen) wahrnehmen, und schließlich dringt Washington zur Absicherung seiner Balkanpolitik darauf, daß Wien an einem "Stabilitätspakt für Südosteuropa" mitwirkt.

Vielsagend ist, daß die "Wiedergutmachung" ins Zentrum der bilateralen Beziehungen rückt. Dies scheint im Zusammenhang mit den kurz vor der Stockholmer "Holocaust"-Konferenz eingeforderten 14,5 Milliarden Dollar zu stehen. Die während der Konferenz von Ehud Barak und Edgar Bronfman aggressiv artikulierte Anti-Haider-Propaganda mutet da eher kontraproduktiv an, weil sie Eizenstats "Dialog" zu stören scheint.

Als ebenso störend, vielleicht aber auch nur als druckerhöhend, dürfte Eizenstat den jüngsten Vorstoß der Jewish Agency (JA) empfinden. Deren Vorsitzender Salai Meridor hat das Angebot der Schüssel-Regierung, jetzt Verhandlungen über die "Entschädigung" der "Holocaust"-Opfer aufzunehmen, brüsk abgelehnt. Die JA betrachtet dieses Angebot als "zynischen Versuch", den internationalen Boykott zu durchbrechen. Israel sollte mit Österreich weder über "Wiedergutmachung" noch über die Restitution jüdischen Eigentums verhandeln. Meridor forderte daher alle jüdischen Organisationen auf, Wien die kalte Schulter zu zeigen. Man solle beweisen, daß "jüdisches Gewissen und Moralität nicht zum Kauf angeboten werden". Denn nach Haiders indirektem Regierungseintritt klinge Schüssels Angebot wie Hohn: "Nur ein Antisemit konnte sich eine derartige Strategie ausdenken, derzufolge man die ganze Welt kaufen könne, wenn man erst einmal die Juden gekauft habe." Es sei geradezu eine Chuzpe, wenn Wien nach 55 Jahren ausgerechnet heute erstmals Verhandlungen anbiete.

Meridors Anwürfe wirken recht bizarr, wenn man sich daran erinnert, daß es der jüdische Sozialist Bruno Kreisky war, der als einer der einflußreichsten Nachkriegspolitiker den Mythos pflegte, Österreich habe als erstes Opfer Hitlers keine Verpflichtungen gegenüber anderen Opfern des Braunauers,

Chaijm Chesler, Meridors Schatzmeister, erläuterte, was die JA im einzelnen plant: Eine weltweite Kampagne mit dem Ziel, die FPÖ aus dem Kabinett zu drängen. Meridor und Chesler saßen während ihrer Pressekonferenz unter einem Transparent mit der Aufschrift "Sagt NEIN zu Haider!" Unter diesem Motto riefen sie dazu auf, keinen Urlaub mehr in Österreich zu verbringen und auch sonst alle Kontakte zur Alpenrepublik abzubrechen. Sie erwähnten auch schon fast folkloristisch anmutende Spektakel zionistischer Jugendverbände, deren Aktivisten als KZ-Häftlinge verkleidet den JA-Protest inszenieren sollen. In mehreren Städten rund um die Welt will man Zähluhren aufstellen, die die Tage anzeigen, an denen die verhaßte Wiener Koalition noch im Amt ist. Im Internet wird für die avisierte Kampagne eine Website eingerichtet, die man unter austriawatch. com erreicht. Den peinlichen Nebeneffekt, daß "Big Brother" auf diese Weise assoziativ ein negatives jüdisches Profil gewinnt, nimmt Meridor in Kauf. Zumal ihn allein lautere Motive zu diesem für "Demokratie" und "Moralwerte" trommelnden Feldzug bewegen, der sich nicht gegen die Österreicher, sondern wie üblich "nur" gegen den "Rassismus" richtet.

Es ist fraglich, ob Meridors Vorstoß bei US-jüdischen Verbänden eine Mehrheit findet. Eizenstats "Dialog"-Politik weist offenkundig in eine andere Richtung. Nun hat auch der New Yorker "Opferanwalt" Ed Fagan seinen Wien-Besuch angekündigt. Und der einflußreiche Abraham Foxmann von der jüdischen Anti-Diffamierungs-Liga, plazierte in der Washington Post einen Artikel, der die Anti-Haider-Hysterie in den USA und Israel mit höhnischer Kritik überschüttet. So dürfte es Meridor versagt bleiben, einen Präzedenzfall dafür zu schaffen, daß zionistische Organisationen aus moralischen Gründen auf finanzielle Leistungen verzichten.


 
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