© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/00 25. Februar 2000


Johann Böhm
Erlebnis und Bekenntnis
von Alexander Schmidt

Johann Böhm (CSU), der Präsident des bayerischen Landtages, steht als neuer Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft für den Wechsel in der Vertriebenenorganisation zwischen Erlebnis- und Bekenntnisgeneration.

Seiner Liebe zum klaren politischen Bekenntnis zum Trotz, wird er als toleranter Gegner geschätzt, der "sehr menschlich, unkompliziert und spontan" ist. So zumindest nannte ihn der Vizepräsident des Bayrischen Landtags, Karlheinz Hiersemann (SPD), einmal. Für den dreifachen Familienvater ist Toleranz, sagt er, untrennbar mit einer eigenen Meinung verbunden. Und welcher Ort, fügt er dann hinzu, könnte eigentlich besser zur Bildung einer eigenen Meinung sein als der heimische Stammtisch. Er sei auch weiterhin jedes Wochenende an Stammtischen in seinem Wahlkreis und wüßte, daß die ein wichtiges Stück Demokratie seien. Mit Erfolg: Schon bei seiner Erstwahl in den Landtag bekam der gebürtige Draßnitzer (Egerland) in seinem Wahlkreis Rhön-Grabfeld satte 71,1 Prozent der Stimmen.

Fast hätte er sein Potential verschenkt, drei Anläufe benötigten seine Parteifreunde, ihn zu einer Kandidatur zu überreden. Böhm fühlte sich wohl als Jurist im Landratsamt, als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Kreis- und Bezirksjugendring und als Kommunalpolitiker. Im Parlament angekommen, setzt er als Leiter des sozialpolitischen Ausschusses, Staatssekretär und Leiter der bayrischen Staatskanzlei unter Max Streibl (1990) seinen Weg fort. 1993 wechselte Böhm ins bayerische Staatsministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten.

Bereits im darauffolgenden Jahr übernahm er von Wilhelm Vorndran, der auch schon sein Vorgänger in der Staatskanzlei war, das Landtagspräsidium. In einer fraktionsinternen Kampfabstimmung setzte er sich mit 82 zu 35 Stimmen gegen Sozialminister Gebhard Glück durch. Als Abgeordneter kämpfte er für einParlament in "maßvoller" Größenordnung, für einen stabilen Euro und die Fortexistenz von Kommunen, wo seine politische Karriere begann. Diesen "kleinsten Zellen", erklärt Böhm gern, hat das Land Bayern alles zu verdanken. Nur dort könne die Synthese zwischen Globalisierung und Heimat, zwischen Laptop und Lederhose, vollzogen werden, ohne daß sich die Menschen in unüberschaubaren großen Einheiten verloren vorkämen. So soll auch sein "Europa der Regionen" aussehen – föderal und mit demokratisch legitimierten Entscheidungsgremien. Zuletzt meldete er sich im Verwaltungsrat des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds zu Wort, als er die unterschiedliche Entschädigung von Opfern zweier Totalitarismen kritisierte. Nunmehr will Böhm den Jugendaustausch zwischen den Nationen fördern, weil die Zukunft für ihn – auch hier – auf der kleinsten Ebene liegt.


 
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