© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/00 25. Februar 2000


Falsche Fragen
von Folkmar Koenigs

In der Debatte um die CDU-Spenden in Hessen und Bund und um die "Flug-Affäre" in Nordrhein-Westfalen geht es seit ihrem Beginn um Nebensachen, die wirklich wichtigen Fragen werden – bewußt? – nicht erörtert oder gar nicht gestellt. Daß es sich in Hessen um ein zeitweiliges Verstecken eigener Gelder vor der Berichtspflicht mit geringem Geschick handelte, haben die jetzt Verantwortlichen selbst geklärt. Über die Schwere dieses Verstoßes gegen das Parteiengesetz im Vergleich zu den anderen Tatsachen und über die jeweilige Intensität des Bemühens um Aufklärung möge jeder selbst urteilen. Ob und wie oft Mitglieder der Landesregierung NRW außer zu dienstlichen Aufgaben auch zum Angeln, Parteiterminen, privaten Besuchen oder mit einer Freundin zur Yacht nach Split geflogen sind, ist ziemlich unwichtig. Entscheidend ist, daß die Mitglieder der Landesregierung sich unter Mißachtung geltenden Rechts unstreitig laufend der ihrer Aufsicht unterstehenden Westdeutschen Landesbank als Flugbereitschaft bedient haben und versucht haben, dies so weit wie möglich zu verheimlichen.

Ob Wolfgang Schäuble die 100.000 Mark unmittelbar von Schreiber erhalten und sie an Frau Baumeister weitergegeben hat oder die 100.000 Mark ihren Weg von Schreiber zunächst an Frau Baumeister, dann an Schäuble, wieder zurück an Frau Baumeister und von ihr irgendwann weiter genommen haben, ist absolut gleichgültig und lohnt keine eidesstattlichen Versicherungen; denn die 100.000 Mark als solche sind unstreitig. Die wirklich wichtigen und bisher auf den sehr langen und wenig aussichtsreichen Weg eines Untersuchungsausschusses geschickten Fagen sind: Woher stammen die 100.000 DM Schreiber-Spende an Schäuble und die eine Million aus dem Schreiber-Koffer in der Schweiz? Aus welchem Grund wurden sie gegeben? Wieso konnten sich Kiep, Weyrauch und Lüthje die "CDU-Spende" ohne Widerspruch der CDU teilen? Wer waren die Spender für Kohl, über die er schweigt? Was ist mit den "Beraterverträgen" der Parlamentarischen Staatssekretärin Büning-Hürland? Weshalb verschwinden im Kanzleramt Leuna-Akten? Treffen die Meldungen der französischen Presse über hohe Zahlungen von Elf im Zusammenhang mit Leuna und über eine Wahlkampfspende von Mitterand für die CDU zu?

Auf diese Frage erwarten die Wähler eine Antwort, und zwar jetzt. Aufgabe der Medien wäre es, diese Fragen zu stellen statt lang und breit über Nebensachen zu berichten. Ihre Wahlentscheidung sollten die Wähler allerdings nach der von den Parteien tatsächlich zu erwartenden Politik treffen.

 

Prof. Dr. Folkmar Koenigs ist Hochschullehrer an der Technischen Universität Berlin für Handels- und Wirtschaftsrecht


 
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