© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Hilde Schmölzer: Revolte der Frauen. Porträts aus 200 Jahren Emanzipation
Fromm, fleißig, mustergültig
Mina Buts

Jede Bewegung, jeder Freiheitskampf hat seine – zumeist männlichen – Helden. Aber von jenen Heldinnen, deren Kampf um Gleichberechtigung häufig zum Verlust ihrer Existenz, ihrer Gesundheit, sogar ihres Lebens führte, ist nach wie vor wenig die Rede. Diese Lücke will Hilde Schmölzer schließen und gibt bereits zu erkennen, von welcher Warte und vor allem auf welchem Niveau dieser Versuch unternommen werden soll. Etwa vierzig prominenten, aber ansonsten nicht immer nach einsichtigen Kriterien ausgesuchten Frauen wurde so die Ehre zuteil, in eigenen Kapiteln vorgestellt zu werden. Neben ihrem politischen oder gesellschaftlichen Engagement widmet sich Schmölzer in fast voyeuristischer Art vor allem der jeweiligen persönlichen Lebenssituation: Liebe, Ehe und Nachwuchs.

Ihre Darstellung beginnt sie mit der Französischen Revolution, die nach ihrer Auffassung die Geburtsstunde des Feminismus markiert, und natürlich betrachtet sie dabei Olympe de Gouges, die sogar als Märtyrerin auf dem Schafott starb. In ihrer berühmten "Erklärung der Rechte der Frau" forderte sie – im Kontext der Französischen Revolution keineswegs selbstverständlich – die gleichen Rechte, die auch für das männliche Geschlecht in Anspruch genommen wurden. Jene Erklärung, so behauptet Schmölzer, sei totgeschwiegen und erst in den siebziger Jahren des 20. Jahrhundert von feministischen Historikerinnen wiederentdeckt worden.

Seltsam, bereits für die organisierte Frauenbewegung, die am Ende des 19. Jahrhunderts entstand, war dieses angeblich so unbekannte Dokument von großer Bedeutung: Die Frankreichkennerin und Feministin Käthe Schirmacher erwähnt es mehrfach in ihren Schriften über die französische Frauenbewegung und auch das 1901 erschienene Handbuch der Frauenbewegung greift es bereits auf.

Zum persönlichen Lebenswandel de Gouges weiß Schmölzer zu berichten, daß sie gegen ihren Willen verheiratet wurde und sich nach dem frühen Tod ihres Mannes als Kurtisane verdingt habe: Das war zu ihrer Zeit und unter diesen Bedingungen wahrscheinlich ziemlich vernünftig.

Bei den Emanzipationsversuchen in der deutschen Frühromantik und im Biedermeier sei es, so Schmölzer, vornehmlich um Beziehungsprobleme gegangen; mit der Unfähigkeit, die finanzielle Unabhängigkeit der Frau als eine der wichtigsten Voraussetzungen für ihre Gleichberechtigung zu erkennen, sei das Scheitern vorprogrammiert gewesen. Neben den Saint-Simonistinnen und den Frauen des Vormärz befaßt sich Schmölzer eingehend mit der organisierten Frauenbewegung, die sich zum Ende des 19. Jahrhunderts formierte. Ihrem gemäßigten Flügel steht Schmölzer dabei deutlich kritisch gegenüber. Gertrud Bäumer ist für sie gar das Paradebeispiel, wie sehr Nationalismus und Feminismus einander ausschließen, wie wenig sich der Kampf um die Gleichstellung der Frau mit einer nationalen Gesinnung vereinbaren läßt. Das gilt heute ebenso wie damals. Bäumers Lebensstil – sie wohnte meist in weiblichen Hausgemeinschaften – bietet eigentlich wenig Anlaß zu Spekulationen; Schmölzer vermutet dennoch, daß zwischen ihr und dem mit ihr befreundeten Friedrich Naumann ein intimes Verhältnis bestanden haben könnte – Beweise bleibt sie allerdings schuldig.

Während die konservativere Sozialdemokratin Lily Braun als Gattin und Mutter unter der Doppelbelastung, die auch zu Schuldgefühlen gegenüber ihrem kleinen Sohn führte, gelitten habe, erhalten wir durch Clara Zetkins Doppelbelastung einen Eindruck von der Stärke dieser Frau. So einfach mißt es sich mit zweierlei Maß.

Schmölzers Betrachtungen schließen mit einer Würdigung Simone de Beauvoirs – "Die kleine Simone war fromm, fleißig und eine sehr disziplinierte Musterschülerin" – und des ersten Frauenvolksbegehrens, dessen Mitinitiatorin die Autorin war.

Es ist schade, daß eine so umfangreiche Studie über emanzipierte Frauen aus zwei Jahrhunderten so von persönlicher Sympathie und Antipathie geprägt ist, schade auch, daß die Autorin nur wenig Mühe darauf verwandt hat, Vorurteilen nachzugehen und sie gegebenenfalls richtigzustellen.

Auch den Lektor scheint bei seiner Arbeit der Mut verlassen zu haben: Selten waren vermutlich auf 351 gedruckten Seiten so viele Rechtschreibfehler versteckt. Daß dabei der Name der sozialdemokratischen Frauenrechtlerin Marie Juchacz, die immerhin Begründerin der Arbeiterwohlfahrt war, durchgehend falsch geschrieben wird, paßt in den Kontext.

 

Hilde Schmölzer: Revolte der Frauen. Porträts aus 200 Jahren Emanzipation. Ueberreuter, Wien 1999, 351 S., 48 Mark


 
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