© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Landwirtschaft: Das Bundessortenamt entscheidet im Februar über Gentech-Mais
Ein Angriff auf die Florfliegen
Ilona Keil

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) und Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) auf, die bevorstehende Sortenzulassung für gentechnisch veränderten Bt-Mais der Firma Novartis zu verhindern. Die Bundesregierung solle dem Beispiel anderer Länder folgen und die EU-Genehmigung für Novartis-Mais in Deutschland sofort aussetzen. Der Bt-Mais sei nicht nur eine Gefahr für die Umwelt, so Hubert Weiger, Sprecher des BUND-Arbeitskreises Landwirtschaft, er sei auch "eine Mogelpackung für die Bauern", da er sich für die Landwirte langfristig nicht rechne, weil der breite Einsatz dazu führe, daß sich die Schädlinge an den Giftstoff anpassen würden. Zudem seien auch die behaupteten Einsparungen an Insektiziden zweifelhaft, so Weiger, denn der Maiszünsler sei nicht der einzige auftretende Maisschädling. Wenn beispielsweise wie in Baden-Württemberg neben dem Maiszünsler die Fritfliege auftrete, "müssen trotz Bt-Resistenz auf den Maisfeldern zusätzlich noch Insektizide eingesetzt werden. So wird die Umwelt doppelt geschädigt."

Das Bundessortenamt (BSA) in Hannover, das dem Bundeslandwirtschaftsministerium untersteht und für die Zulassung und Schutzerteilung von Pflanzensorten in Deutschland zuständig ist, hat bislang noch keine gentechnisch veränderte Sorte in die deutsche Sortenliste eingetragen, obwohl dem BSA bereits im September 1999 Zulassungsanträge für neun Winterrapssorten mit Herbizidtoleranz, zwei Sommerrapssorten mit verändertem Fettsäuremuster, sechs Zuckerrübensorten mit Herbizidtolerenz und fünf zünslerresistente bzw. herbizidtolerente Maissorten vorlagen. Wie das Bundessortenamt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bestätigte, wird das BSA noch in diesem Monat über die Sortenzulassung von Bt-Mais entscheiden. Zum Ergebnis der Prüfung wollte sich das BSA nicht äußern. Mit der möglichen Zulassung des Bt-Mais würde erstmals gentechnisch verändertes Saatgut ohne jede Einschränkung in Deutschland vertrieben und angebaut werden können. Zur Zeit wird Mais vor allem als Futtermittel auf rund einer Million Hektar Land angebaut und ist damit eine wesentliche Grundlage der deutschen Fleisch- und Milchproduktion.

Der Bt-Mais der Firma Novartis wurde durch Genmanipulation gegen Insekten resistent gemacht. Neuere Untersuchungen geben allerdings Anlaß zu der Sorge, daß das Bt-Gift nicht nur Schädlinge wie den Maiszünsler tötet, sondern auch "Nicht-Zielorganismen" beeinträchtigt. So zeigten Fütterungsversuche in der Schweiz und in den USA, daß das Bt-Gift auch wichtige Nützlinge wie Florfliegen und die Larven des Monarchfalters schädigt. Deshalb hat das Umweltbundesamt (UBA) bereits früher vor dem uneingeschränkten Anbau von Bt-Mais gewarnt.

Unklar ist außerdem die Wirkung auf Bodenorganismen. Die Zeitschrift Nature hatte im vergangenen Jahr berichtet, daß das Bt-Insektizid von Pflanzenwurzeln abgegeben werde und seine insektentötende Eigenschaft im Boden überraschend lange beibehalte. Da aber bislang zu wenig über den Mikrokosmos der Bodenbakterien bekannt sei, seien die Auswirkungen dieses Effektes für die Umwelt nicht absehbar.

Umstritten ist der Bt-Mais zudem wegen seiner Resistenz gegen das für die Humanmedizin unentbehrliche Antibiotikum Ampicillin. Die Übertragung der Resistenzgene auf Krankheitserreger könne dazu führen, daß lebensbedrohliche Krankheiten unheilbar werden, fürchtet der BUND. Ähnlich sieht dies Norwegen: Dort ist der Anbau von Gentech-Pflanzen mit Antibiotikaresistenzen grundsätzlich verboten.


 
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