© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Meldungen

Der Westen führt seine "Breschnew-Doktrin" ein

MOSKAU. Als "beispielloser Druck auf Österreich" werden die EU-Sanktionen von der Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gaseta bezeichnet. Die Maßnahmen würden "wieder einmal mit moralischen und humanitären Motiven" begründet, aber in diesem Fall "handelt es sich nicht um die Lösung eines internationalen Problems vom Typ Kosovo oder einer militärischen Situation, wie in Tschetschenien, sondern um ein rein innenpolitisches Problem der Österreicher". Haider sei zwar "nicht ein Geschenk des Himmels", aber es sei nicht zu verstehen, warum seinetwegen die ganze Welt über Wien herfalle. Das Verhalten des Westens legt die Vermutung nahe, man wolle gleichzeitig mit der Strategie der Nato – die eine willkürliche Einmischung in Konflikte in der ganzen Welt zuläßt – versuchen, eine Art eigener "Breschnew-Doktrin" einzuführen, mit deren Hilfe man "den eigenen Bündnismitgliedern innenpolitische Bedingungen und ihm genehme Kombinationen diktieren kann". Das russische Blatt warnt, eine "Revision der grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts, wenn nicht gar der Grundlagen für eine funktionierende Demokratie an sich, mit dem Ziel der Schaffung einer Pax Europea", könnte zur neuen Realität des 21. Jahrhunderts werden.

 

Italienische Politiker gegen "Zensur des Wählerwillens"

ROM. Der ehemalige italienische Außenminister Antonio Martino von der rechtsliberalen Forza Italia hat sich in der Diskussion um die neue Koalition in Wien "gegen eine Zensur des Wählerwillens" ausgesprochen. Er verwies darauf, daß man in Italien keinen Anstoß daran nehme, daß in der heutigen Regierung Linke säßen, die "einst im Sold des KGB" standen. Haider hingegen sei "kein Extremist, sondern ein zuverlässiger Parteichef". Alessandra Mussolini (Alleanza Nazionale) nennt die EU-Aktionen einen "Skandal": "Nicht Haider, sondern die EU-Repräsentanten sind Rassisten. Auch Italien würde einen Haider brauchen", betonte die Duce-Enkelin.

 

Präsident einer jüdischen Gemeinde pro Haider

LINZ. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Linz, George Wozasek, hat die ausländischen Reaktionen auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ als wenig hilfreich bezeichnet. Wozasek sagte vergangenen Sonntag in einem Interview des Österreichischen Rundfunks (ORF), er habe das Gefühl, "daß sich stärkere Staaten in die innere Politik Österreichs einmischen wollen, und damit tun sie nichts Gutes". Zum von Israel verhängten Einreiseverbot für den FPÖ-Obmann sagte er: "Haider stammt aus der Nachkriegsgeneration, er hat niemanden persönlich verfolgt oder ermordert." Das Verbot seine eine "populistische Maßnahme von israelischer Seite".

 

US-Sänger Lou Reed sagt Auftritt in Wien ab

WIEN. Der US-Musiker Lou Reed hat einen geplanten Auftritt in Wien abgesagt. Wenn Menschen jemanden wie Haider wählten, sei das zwar Ihr gutes Recht, dies bedeute aber nicht, daß andere Menschen sich freiwillig dafür entscheiden müßten, in seine Nähe zu kommen, äußerte er im ORF. Reed, dessen Karriere in den 60er Jahren mit der Rockgruppe Velvet Underground begann, ist zur Premiere eines Edgar-Allan-Poe-Musicals in Hamburg. Er schrieb für "POEtry" das Libretto.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen