© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Griechenland: Kritik an Wiener Koalition und Angst vor fremder Einmischung
Athen sieht Haider eher gelassen
Gregor M. Manousakis

Übertrieben – so werden in Griechenland die Reaktionen auf die Regierungsteilnahme der FPÖ beurteilt. Überraschend, denn sonst ist die griechische Linke sehr schnell dabei, laut und oft randalierend ihre Ablehnung gegen das Weltgeschehen zu demonstrieren, das ihr nicht paßt. Im vorliegenden Fall fällt aber auf, daß selbst Presseorgane und Persönlichkeiten, die besonders empfindlich auf tatsächliche oder angebliche antidemokratische Prozesse und Ereignisse reagieren, im Falle Österreichs sich von den offiziellen Reaktionen in Europa und Amerika distanzieren.

Das, was heute mit Österreich passiert, wird als ein weiterer Versuch angesehen, die Souveränität der europäischen Staaten einzuschränken, was als große Gefahr für die Demokratie in Europa empfunden wird. Die kommunistische Partei Griechenlands lehnt aber scharf die Einmischung der "Pharisäer" in Österreich ab.

Auch die Regierung der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) versucht, mit Blick auf Österreich, eine Gradwanderung. Sie strebt Konformität mit den übrigen Regierungen an, jedoch ohne sich gegen Wien zu exponieren. Angesichts der vorgezogenen Wahlen am 9. April will sie einerseits der öffentlichen Meinung Rechnung tragen, andererseits aber mit den übrigen EU-Partnern keinen neuen Konflikt auslösen. Bezeichnend ist die Auslassung des Ministerpräsidenten Simitis: "Die EU ist eine Familie mit Werten. Die Toleranz gegenüber den anderen und die Menschenrechte sind die Grundlage der europäischen Vision. Wer sie nicht akzeptiert, gehört nicht zu Europa." So spricht man von Wien und meint – insgeheim – Ankara.

Über Wiener Innenpoltik wird wenig berichtet, Österreich hatte aber auch traditionell keine gute Presse in Griechenland. Das hängt nicht zuletzt mit der Rolle Wiens unter Metternich angesichts des griechischen Aufstandes gegen das Osmanische Reich 1821 zusammen. Folgerichtig sind FPÖ und Haider erst in den letzten Wochen von der öffentlichen Meinung registriert worden.

Österreich ist nun ein Diskussionsthema in der griechischen Öffentlichkeit geworden. Dabei wird durchweg die fremde Einmischung in die Innenpolitik angeprangert. Hier spricht die historische Erfahrung der Griechen. Vergleichbare Interventionen von außen in den letzten 150 Jahren haben viel Unheil über Griechenland gebracht. Mit besonderer Vehemenz werden daher jene europäischen Politiker angeprangert, die leichtfertig die Souveränität eines Landes aufs Spiel setzen. Mit Verwunderung wird registriert, daß zum Beispiel der derzeitige EU-Präsident, der Portugiese António Guterres, sich zu Österreich massiv äußert, zu den Übergriffen auf Marokkaner in Südspanien hingegen nicht auf die Barrikaden geht.

Auch der Umstand, daß Sanktionen nicht wegen Tatbeständen, sondern auf der Grundlage von Vermutungen und Befürchtungen verlangt werden, wird kritisiert: "Bei einem gleichen Vorgang im Zivilleben gehörte Herr Chirac vor Gericht," konstatierte ein Anwalt bei einer Podiumsdiskussion.

Bezeichnend dafür sind die Kommentare der konservativen Zeitung He Kathemerine: Sie spielt die Problematik des Aufstiegs der Freiheitlichen in der Regierung Österreichs nicht herunter, lehnt aber irgendwelche Parallelen zu Deutschland 1933 ab. Sie hält die Versäumnisse der österreichischen und der europäischen Politik vor, die den Aufstieg der Freiheitlichen ermöglicht haben. Vor allem fragt sich aber die Zeitung, was die fremde Einmischung in Österreich für Zukunft Europas bringt: "Nichts, es sei denn Negatives!"


 
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