© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Meldungen

Millionenschäden bei Anschlägen Militanter

KÖLN. Linksextremistisch motivierte Täter richten bei Anschlägen auf Wirtschaftsbetriebe in Deutschland nach Angaben des Verfassungsschutzes jährlich Sachschäden in Millionenhöhe an. Im vergangenen Jahr seien über 3.200 Straftaten registriert worden, berichtete das Bundesamt für Verfassungsschutz am Donnerstag in Köln. Die anarchistisch orientierte autonome Szene umfasse bundesweit rund 6.000 Personen, erklärte Verfassungsschutz-Präsident Peter Frisch. Militante Linksextremisten sehen in der Anwendung von Gewalt auch weiterhin ein geeignetes Mittel, ihren Kampf gegen unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung und somit letztlich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung in das öffentliche Bewußtsein zu rücken. Spektakuläres Beispiel war am 25. Mai 1999 ein Brandanschlag auf Busse eines Unternehmens im schleswig-holsteinischen Schenefeld. Der Schaden betrug eine Million Mark. In den Selbstbezichtigungsschreiben hieß es, das Busunternehmen habe daran verdient, Faschisten zu ihren Aufmärschen zu fahren. Bei einem Brandanschlag auf dem Expo-Gelände in Hannover am 20. November 1999 mit einem Schaden von 300.000 Mark bezichtigte sich eine Autonome Gruppe der Tat.

 

Havemann-Witwe: Überwachung war Psychoterror

NEURUPPIN. Im neu aufgerollten Havemann-Prozess hat die Witwe des DDR-Regimekritikers, Annedore Havemann, die fast lückelose Überwachung der Familie angeprangert. Vor allem die Zeit zwischen 1976 und 1979 habe an Psychoterror erinnert, sagte die 52jährige am Montag vor dem Landgericht Neuruppin. Der 1982 gestorbene Havemann gilt als einer der prominentesten DDR-Kritiker. Angeklagt sind zwei ehemalige DDR-Staatsanwälte wegen Rechtsbeugung. Sie sollen in den siebziger Jahren an Scheinprozessen gegen Havemann mitgewirkt haben, bei denen dieser unter Hausarrest gestellt, seine gesamte Habe durchsucht und zum Teil beschlagnahmt wurde. Der Bundesgerichtshof hatte zwei vom Landgericht Frankfurt (Oder) verhängte Freisprüche für die beiden Angeklagten 1998 aufgehoben und Neuverhandlungen angeordnet. Nach dem Hausarrest 1976 sei die gesamte Straße in Grünheide bei Berlin, wo Havemanns wohnten, von der Staatssicherheit überwacht worden, schilderte Annedore Havemann vor Gericht. Anlaß für den Hausarrest war ein Protestbrief gegen die Ausbürgerung Wolf Biermann. Auch das Telefon sei schon vor dem Hausarrest abgeklemmt worden. Freunde seien bei Besuchen kontrolliert und zum Teil wieder abgewiesen worden. Auch Nachbarn seien drangsaliert worden. Der Prozeß wird am 21. Februar fortgesetzt.

 

FUNDSACHE: "Im Rückblick auf seine Berliner Zeit bezeichnet sich Schönbohm gerne als Provokateur. Als einen, der Themen anpackte, an denen vermeintlich nicht gerührt werden darf. Dennoch – der Provokateur war stets zu sehr Überzeugungstäter, um nur Provokateur zu sein. Er war immer auch die Inkarnation preußisch-nationalistischer Werte: Schönbohm gab Interviews in der neurechten Postille JUNGE FREIHEIT . Er wetterte gegen ’Ghettos‘, dachte laut über ’Zwangssprachtests‘ nach, forderte eine ’deutsche Leitkultur‘ in einer ’selbstbewußten Hauptstadt‘, Sitz einer ’selbstbewußten Nation‘."

Jeannette Goddar in der Berliner "taz" vom 15. Februar 2000


 
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