© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
Österreich: Künstler wüten gegen Regierungsbeteiligung der FPÖ
Zündstoff für Saturierte
Thorsten Thaler

Nicht nur die von linksliberal bis sozialistisch dominierten EU-Regierungen schäumen vor ohnmächtiger Wut über die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen in Österreich. Auch die Künstler und Kulturschaffenden der Alpenrepublik sind völlig aus dem Häuschen geraten und haben kollektiv die Fassung verloren. Seitdem die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ unter Dach und Fach ist, wüten sie blindlings gegen die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Jörg Haiders. Einige Beispiele:

- In einer Erklärung unter dem Namen "Kulturnation Österreich" haben bisher über 100 Künstler der neuen Regierung in Wien die "moralische Qualifikation" abgesprochen, "im Namen der Kunst und Kultur zu sprechen." Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören unter anderem die Autoren H.C. Artmann, Andre Heller, Milo Dor, Ernst Jandl, György Ligeti, Friederiuke Mayröcker, Erika Pluhar und Marlene Streeruwitz.

- Die Schriftstellerin und Theaterautorin Elfriede Jelinek will keines ihrer Stücke in Österreich aufführen lassen, solange die FPÖ mit in der Regierung sitzt. In der ARD-Sendung "Kulturweltspiegel" sagte die 53jährige Autorin, sie habe ihren Verlag angewiesen, die Rechte für Aufführungen nicht mehr zu vergeben. Dies sei für sie die einzige Möglichkeit, auf die von ihr als "ekelhaft" empfundenen aktuellen politischen Verhältnisse zu reagieren. Die Heinrich-Böll- und Georg-Büchner-Preisträgerin zählt zu den bekanntesten und wegen der politischen Ausrichtung ihrer Theaterstücke umstrittensten Autoren in Österreich.

- Die Erben der 1973 verstorbenen österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann haben dem Land Kärnten untersagt, den Namen "Ingeborg-Bachmann-Preis" zu verwenden. Dieses Verbot gelte so lange, "bis wir davon ausgehen können, daß die Politik in diesem Land nicht mehr beschämend sein wird und sich ihrer der Weltliteratur zugehörigen Autorin würdig erweist", teilten die Geschwister Isolde Moser und Heinz Bachmann mit. Der Ingeborg-Bachmann-Preis wird jedes Jahr im Sommer in Klagenfurt vergeben und bietet deutschsprachigen Autoren die Möglichkeit, vor einer internationalen Jury aus ihren Werken vorzutragen.

- Ebenfalls aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ hat der künstlerische Leiter der Salzburger Festspiele, Gerard Mortier, seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt. Mortier habe das Kuratorium um die Lösung seines Vertrages nach den diesjährigen Sommerfestspielen gebeten, teilte das Büro der Festspiele mit. Sein Vertrag wäre ursprünglich erst nach einer weiteren Spielsaison im Oktober 2001 ausgelaufen. Bereits im Januar war der Komponist Peter Ruzicka zu seinem Nachfolger ernannt worden.

- Der in Ludwigsburg wohnende Opernsänger Robert Künzli hat alle geplanten Auftritte in Österreich abgesagt. In einem Brief an das Landestheater Linz schreibt Künzli, er schäme sich als Österreicher und sei empört, "mit welcher Leichtigkeit in meinem Land mit der Demokratie umgegangen wird".

So irrational die Anwürfe sein mögen, sie fußen auf einer langjährigen Feindschaft der vor allem um ihre staatlichen Zuschüsse und Aufführungsmöglichkeiten fürchtenden Künstler gegenüber einer FPÖ, für die auch die Freiheit der Kunst nicht ohne Verantwortung denkbar ist.

Was Haider von der mit öffentlichen Geldern subventionierten und vielfach nur auf Provokationen bedachten Kulturschickeria Österreichs hält, machte er schon 1993 in seinem (inzwischen vergriffenen) bekenntisfreudigen Buch "Die Freiheit, die ich meine" deutlich. "Der linke Kulturtotalitarismus beherrscht im Bündnis von Kulturminister, Bundestheatern und staatlichem Monopolrundfunk das sogenannte Geistesleben. Wer nicht mit den Wölfen heult, ist chancenlos als Schauspieler, Maler oder Literat. Künstler, die sich nicht in den vom Antikulturmessianismus lizenzierten gesellschaftlichen Kreisen bewegen, die mit Kritikern der österreichischen Zustände Umgang pflegen, stehen unter Rechtfertigungszwang. Jene, die künstlerische Freiheit einfordern und exzessiv ausleben, sind nicht einmal bereit, die Meinungsfreiheit zu respektieren. Diese Hochkultur ist von niedrigem Geist und schlechten Charakteren beherrscht."

Jeder Widerspruch dagegen werde wie mit einer Dampfwalze niedergemacht, so Haider. Zu den "Normen", auf die Künstler in Österreich verplichtet würden, gehörten die "Verletzung sittlich-moralischer Anschauungen, Brutalität und Gewaltverherrlichung, gepaart mit einer abgrundtiefen Mißachtung des Menschlichen". Nur die Kritik an diesem Kulturzerfall werde tabuisiert. Wo aber sittliche Grundlagen verlorengingen, sei der "Absturz in eine menschenverachtende Unkultur unvermeidlich". Haiders Fazit damals: "Das Leben im österreichischen Kulturfaschismus ist bedrückend und besorgniserregend. Der Kultur fehlt die Kultur."

Im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ finden sich naturgemäß weniger klare Worte. In der Einleitung zum Kapitel "Kultur und Kunst" heißt es, die Freiheit der Kunst sei "das tragende Prinzip der Kunstförderung und Kulturpolitik". Der Staat habe dabei seine Tätigkeit auf die Schaffung von "stimulierenden Rahmenbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten" für Künstler zu konzentrieren. Einen Schwerpunkt will die neue Wiener Regierung auf die Bewahrung und Pflege der heimischen Kultur legen. Zu den in Aussicht gestellten Maßnahmen gehört die Förderung der kulturellen Ausdrucksformen der Regionen sowie eine ausgewogenere regionale Verteilung staatlicher Gelder, ein Förderprogramm für den österreichischen Film durch effizienteren Einsatz der finanziellen Mittel, die Schaffung einer Nationalstiftung zur Sicherung und Pflege österreichischen Kulturguts sowie die Förderung von Forschung, Archivierung, Dokumentation und Evaluierung im Kulturbereich mit dem Schwerpunkt Volkskultur.

Für saturierte Staatskünstler mögen allein diese Selbstverständlichkeiten allerdings bereits genügend Zündstoff in sich bergen.


 
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