© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
Österreich: Die EU-Sanktionen sind maßlos
Kriminelle Bande
Andreas Wild

Die Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegen Österreich wegen der Beteiligung von Jörg Haiders FPÖ an der neuen Wiener Regierung haben in den Medien und in der Politologie bereits neuartige Debatten über das Phänomen des politischen Extremismus ausgelöst. Angeblich wollen die vierzehn EU-Staaten mit ihren Maßnahmen den "Extremisten" Haider treffen, aber viele Politik-Beobachter fragen sich inzwischen, wer in diesem Spiel denn der eigentliche Extremist ist, Jörg Haider oder die EU.

Politischer Extremismus zeigt sich in der Unfähigkeit zum Kompromiß, in der Maßlosigkeit der Forderungen, die erhoben werden, in der Mißachtung des Volkswillens, wie er sich in freien Wahlen artikuliert, in der Verhöhnung der Gesetze. Keines dieser Kriterien trifft auf den österreichischen FPÖ-Chef zu.

Was die Kompromißfähigkeit und die Beachtung des Maßes und des Möglichen betrifft, so muß Haider, studiert man die von ihm betriebene Politik, sogar als das Muster eines Nicht-Extremisten gelten. Er hat, seitdem er politisch aktiv ist, unentwegt Kompromisse geschlossen, hat die Programmatik seiner Partei immer wieder den konkreten Erfordernissen der österreichischen Lebenswelt angepaßt, stets unter strikter Beachtung der parlamentarischen Regeln. Nicht zuletzt dieses, der Blick für das Mögliche und das Nötige, verhalf ihm zu seinen Wahlerfolgen, macht ihn zu einem nicht mehr ignorierbaren Faktor der österreichischen Politik.

Wie steht es dagegen mit den Maßnahmen der EU? Sie sind, um das Mindeste zu sagen, maßlos in einer kaum für möglich gehaltenen Weise. Ohne jegliche voraufgehende Konsultation, wie sie die EU-Verträge zwingend vorschreiben, wurde ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft unter Druck gesetzt, ausgegrenzt, diplomatisch verunglimpft, erpreßt. Der Wille der österreichischen Wähler wurde mit Füßen getreten, die Gesetze des Völkerrechts zu Makukulatur gemacht.

Und die EU hat dabei, wie Herbert Kremp in einer gründlichen Analyse in der "Welt" nachgewiesen hat, nicht nur gegen das Völkerrecht im allgemeinen verstoßen, sondern in eklatantester Weise auch gegen sämtliche geltenden europäischen Verträge sowie gegen die UN-Charta. Die EU hat so getan, als gäbe es überhaupt kein Recht, nicht in Europa und nicht in der globalisierten Welt.

Nach Artikel 7 des Vertrags von Amsterdam sind präventive Sanktionen der EU gegen eines ihrer Mitglieder ausdrücklich verboten. Nur bereits begangene schwerstwiegende Vertrags-Verletzungen seitens eines Mitglieds dürfen geahndet werden, und zwar erst, nachdem der "Delinquent" angehört und mehrere Male offiziell zur "Besserung" aufgefordert wurde. Nichts von alledem ist bekanntlich geschehen.

Nicht nur fehlte jeder Anlaß, in Hinblick auf Österreich von schwerwiegenden oder auch nur läßlichen Vertrags-Verletzungen zu sprechen, es gab auch keine Anhörung oder Abmahnungen. Die EU hat sich, um es zu wiederholen, außerhalb jedes Gesetzes gestellt, das heißt, sie hat sich wie der schlimmste Extremist aufgeführt und gerät damit nun völlig zu Recht ins Visier kritischer Polit-Analysen und wissenschaftlicher Extremismus-Forschungen, die hoffentlich systematisch vertieft werden und zu brauchbaren Vorschlägen zur Bekämpfung des Übels führen.

Die Frage stellt sich, ob wir es bei der EU nicht mit einer internationalen kriminellen Vereinigung größten Stils zu tun haben. Dafür spräche unter anderem auch die gegenwärtige mafiose, durch und durch von Korruption durchzogene Struktur dieser Organisation, ihre mangelnde demokratische Legitimation und Transparenz, ihre offensichtliche Beeinflußbarkeit durch unkontrollierbare außerstaatliche Kräfte. Eine Selbstreinigung der EU ist erforderlich, die weit über das hinausgehen müßte, was nach dem letzten bekanntgewordenen Korruptionsskandal von Brüssel (angeblich) in die Wege geleitet wurde.

Daß sich ausgerechnet eine Organisation wie die EU in ihrer derzeitigen Verfassung als politischer Sittenrichter aufspielt, ein künstliches Klima der Hysterie erzeugt, den Mob der Straße mobilisiert und sich völlig ungeniert und mit eindeutig diktatorischer Absicht in die inneren Belange demokratisch verfaßter und demokratisch regierter Staaten einmischt, grenzt an Blasphemie. Es eröffnet ein düsteres Zukunftspanorama, in dem, statt vom Volk gewählte Parlamente und Regierungen, dubiose Vereine das Sagen haben, deren Absichten nicht diskutiert werden dürfen, sondern einfach hingenommen werden müssen wie der Ratschluß eines übermächtigen Paten.

Die Vorgänge um die österreichische Regierungsbildung und die skandalösen EU-Sanktionen sind so etwas wie eine frühe Ampelwarnung vor verhängnisvollen, durchaus unerwünschten Entwicklungen. Man sollte nach Passieren dieser Ampel noch vorsichtiger werden beim Befahren des Weges zu einem "vereinten Europa", um nicht unversehens im Schlammloch irgendwelcher Ehrenwerten Gesellschaften zu landen.


 
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