© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
Europa und Jörg Haider: Der Machtwechsel in Österreich erschüttert die Parteienlandschaft
Schafft Wahlen ab!
Dieter Stein

Die vergangene Woche war in ganz Europa von heftigen Auseinandersetzungen um die österreichische Regierungsbildung und die Beteiligung der Freiheitlichen Jörg Haiders bestimmt. In einer ersten Reaktion hatten die übrigen 14 EU-Mitgliedsstaaten das Einfrieren der zwischenstaatlichen Kontakte zu Österreich angekündigt und gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ protestiert.

Wie sich herausgestellt hat, war die europäische Fronde gegen die schwarz-blaue Regierungskoalition "von langer Hand" (Focus) geplant worden: Bundespräsident Klestil (ÖVP) und der entmachtete Bundeskanzler Klima (SPÖ) sollen um Hilfe bei der EU ersucht haben. Ein einmaliger Vorgang, wie im innenpolitischen Meinungs- und Machtkampf eine Partei das Ausland gegen das eigene Land in Stellung bringt. Die SPÖ und der von Schüssel abgefallene ÖVP-Bundespräsident Klestil nahmen den Ruin des österreichischen Rufes in Kauf, um ihren innenpolitischen Konkurrenten Haider auszustechen.

Inzwischen bricht die Kampagne gegen den kleinen EU-Staat in sich zusammen. Die Sanktionen der zumeist sozialistisch oder sozialdemokratisch regierten Staaten gegen Österreich werden aus den Reihen der bürgerlichen Oppositionsparteien zunehmend kritisiert. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sprach von einem "diplomatischen Amoklauf" und kündigte den Widerstand mehrerer deutscher Ministerpräsidenten zum Vorgehen der deutschen Bundesregierung gegen Österreich an. Sogar die FDP, die einst dafür gesorgt hatte, daß die FPÖ wegen Haider aus der Liberalen Internationalen ausgeschlossen wurde, raffte sich zum Protest gegen die EU-Sanktionen auf. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle nannte die Reaktionen von EU und Bundesregierung "hysterisch" und warf Schröder und Fischer vor, sie seien beim Vorgehen gegen Wien die treibende Kraft gewesen.

Auch in den Medien, die zunächst fast einhellig in den hysterischen Chor der europäischen Regierungen einstimmt hatten, mehren sich jetzt die Stimmen, die vor einer weiteren Isolierung Österreichs warnen.

Quer durch alle Staaten der Europäischen Union zieht sich nun der Riß zwischen den politischen Lagern. Es wurde offensichtlich, daß es im Zusammenhang mit dem Fall Haider darum ging, ein Exempel zu statuieren. Die europäischen Linksregierungen glaubten, für die Zukunft festlegen zu können, daß bestimmte politische Konstellationen von der Regierungsbildung ausgeschlossen werden. Oder anders: Brüssel soll künftig in die demokratische Willensbildung und Souveränität eines Mitgliedstaates bereits sanktionierend eingreifen können, bevor die Regierung des betreffenden Landes gegen EU-Verträge verstößt.

Somit ist das Aburteilen der Österreicher ein Vorgeschmack auf den europäischen Zentralstaat, für den der Euro offenbar den Weg ebnen soll. In allerschlechtester, arroganter zentralstaatlicher Manier meinen Bürokraten in Berlin, Brüssel, Paris, Lissabon und anderswo, die Alpenrepublik wie einen despotischen Wüstenstaat behandeln zu können. Voila, Gratulation, sie haben ihr wahres Gesicht gezeigt. Adieu, föderales Europa der demokratischen Nationalstaaten – bonjour, sozialistisch-zentralistischer Superstaat von Brüssel!

Allein aus diesem Grund muß jeder überzeugte Demokrat die Partei der Österreicher ergreifen. In bester imperialistischer Pose soll hier gegen die demokratische, freie Willensbildung eines Volkes interveniert werden mit den Methoden des Gesinnungsterrors, der Ausgrenzung, der Verleumdung, der Erpressung. Wen wundert’s, daß nach aktuellen Umfragen fast 80 Prozent der Österreicher hinter der Regierung von Schüssel und Haider stehen.

Die Befürworter politischer Bevormundung und staatlicher Lenkung erleben mit Haider eine empfindliche Niederlage. Ob man Haider mag oder nicht: Mit ihm feiert die demokratische Freiheit einen Triumph gegen die angestammten politischen Kartelle Europas. Die monumentale Dämonisierung Haiders in den Medien wird auch dazu beitragen, daß dieser Effekt tatsächlich auf andere Länder übergreifen könnte.

Die Empörung der europäischen Linken, aber auch der im politischen Abwind begriffenen bürgerlichen Parteien ist geheuchelt. Sie zittern vor allem um den Erhalt ihrer Pfründe und haben Angst vor der Unkalkulierbarkeit von demokratischen Wahlen.


 
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