© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/00 04. Februar 2000

 
CD: Pop
Irish Skiffle
Holger Stürenburg

Im vergangenen Jahr trafen sich in Belfast drei Musikerlegenden, die mit einem akustischen Konzert ihre gemeinsamen Wurzeln ausführlich zelebrierten: Skiffle Jazz, eine imposante Mischung aus Blues, Folk, Country und Oldtime Jazz, die vor 40 Jahren in Großbritannien einen wahren Boom auslöste und weit vor Beat oder Pop als eine erste typische britische Richtung der Popularmusik gelten kann. Folkrock-Legende Van Morrison, einst mit der R‘n‘B-Band Them, später auch solistisch erfolgreich, gab gemeinsam mit dem Klarinettisten Chris Barber und dem Banjo-Spieler Lonnie Donegan einige Konzerte, bei denen glücklicherweise die Aufnahmegeräte eingeschaltet waren. Sowohl Barber als auch Donegan sind vor Urzeiten mit eigenen Bands bekannt geworden, seit den fünfziger Jahren hört man Hits wie "Icecream" Jahr für Jahr in gehobenen Jazzlokalen, immer noch von den Originalmusikern gespielt, immer noch mit dem gleichen Charme wie zu Andenauers Zeiten versehen.

15 Lieder aus diesen Belfaster Konzerten von Morrison, Barber und Donegan liegen nun bei Virgin Records auf CD vor. Natürlich enthalten diese keine wirklich neuen Gedanken, weder musikalisch noch bezüglich der Arrangements. Aber Morrisons hohe, oft etwas intellektuell klingende Stimme, gemeinsam mit Chris Barbers sacht eingestreuter Klarinette, auf der rhythmischen Basis von Donegans Banjo – einem heutzutage im Popbereich kaum noch genutzten Instrument – lassen Blues- und Skiffleklassiker wie "Good Morning Blues", "Midnight Special" oder "The Ballad of Jesse James" frisch und knisterfrei aus den Lautsprechern klingen, als säße man direkt neben den drei Altstars.

Das Banjo zirpt, die Klarinette schleicht, Morrison schmeichelt – bei einigen Songs kommt auch "Night Tripper" Dr. John aus New Orleans mit auf die Bühne und versüßt die Klänge mit seinem legendären Boogie-Piano. Die vielen Solo-Hits der drei werden auf diesem Album gar nicht intoniert, statt dessen wird ausschließlich auf traditionelle Blues-, Folk- und Skifflekompositionen zurückgegriffen, die oft fast so viele Jahre auf dem Buckel haben wie ihre drei Interpreten zusammen.

Auf seine Weise genauso genial, naturverbunden und beherzt wie das "Unplugged"-Album "Stripped" der Rolling Stones gelingt auch "The Skiffle Sessions – Live in Belfast", selbst wenn den Protagonisten letzteren Albums der absolute Durchbruch zum Weltruhm niemals gelungen ist und mit diesem Album sicherlich auch nicht gelingen dürfte. Wer außer einigen Spezialisten mag heute noch Blues oder Skiffle hören.

Während Van Morrison seit Jahren immer wieder, zumindest eben jenseits des Hauptstroms, Erfolge mit textlich engagierten Blues- und Folk-alben hat erzielen können, beschränkte sich der kommerzielle Erfolg von Donegan und Barber fast ausschließlich auf die fünfziger und sechziger Jahre. Aber auch noch heute touren beide, mit altem Material und eigenen Bands, aber auch zusammen, durch die Welt und begeistern Jazzfans jeglicher Altersstufen mit ihrem traditionellen Oldtime und Skiffle Jazz. Im März diesen Jahres wird ein neues Soloalbum von Van Morrison, ebenfalls bei Virgin, erscheinen, von dem zu hoffen ist, daß es klanglich, textlich und vielleicht auch kommerziell an seine Achtziger-Jahre-Höhepunkte "No Guru – No Method – No Teacher", "Irish Heartbeat" oder "Avalon Sunset" anschließen kann.


 
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