© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/00 04. Februar 2000

 
Interview: Gespräch mit Rudolf Eder zur Wirtschaftspolitik der schwarz-blauen Koalition
"Gutes Inbestitionsklima zu erwarten"
Martin Pfeiffer

Wie beurteilen Sie das wirtschaftliche Konzept der sich abzeichnenden schwarz-blauen Koalition, insbesondere die umfassenden Privatisierungspläne?

Eder: Die neue Regierung muß sehr schnell Entscheidungen treffen und dabei unbedingt eine gewisse Kontinuität sichern, wenn sie verhindern will, daß der Volkswirtschaft durch die Verzögerung und plötzlich geänderte Rahmenbedingungen großer Schaden entsteht. Gleichzeitig möchten beide Parteien möglichst rasch möglichst viele jener Versprechungen umsetzen, die sie vor der Wahl angekündigt haben.

Dazu dient ein kurzfristiges Konzept, welches eigentlich nur ein Flickwerk ist und auch nur ein solches sein kann. Grundsätzlich kann festgestellt werden, daß die Verhandlungsergebnisse fast nur Maßnahmen enthalten, die von der Mehrheit der Wähler wahrscheinlich positiv aufgenommen werden dürften.

Zur Finanzierung sind offenbar die Erlöse aus den angekündigten Privatisierungen vorgesehen. Gleichzeitig wird durch die Privatisierung ein Wahlversprechen zur Neugestaltung unseres Wirtschaftssystems – "Effizienzsteigerung" – eingelöst. Dabei kann nicht einfach beurteilt werden, ob diese Handlung an sich schon günstig ist. Grundsätzlich ist die Verwendung der Erlöse zur Deckung verschiedener Staatsausgaben getrennt von der Privatisierung selbst zu beurteilen. Vor dem 3. Oktober wurde schon viel privatisiert. Dabei wurden volkswirtschaftliche Interessen jedoch vielfach mißachtet! Die künftige Privatisierungswelle sollte keine Privatisierung um jeden Preis sein, sondern selektiv und nach volkswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgen: Wo der Staat besser oder gleich gut arbeiten kann, ist unbedingt eine Privatisierung zu vermeiden. Es hat auch Zeiten sehr erfolgreicher Staatsbetriebe gegeben.

Teilen Sie die Ansicht vor allem linker Kreise, daß eine Regierung mit Beteiligung der Freiheitlichen ausländische Investoren abschrecken könnte?

Eder: Keinesfalls! Eine blau-schwarze Regierung wird sich sehr anstrengen, ein gutes Investitionsklima zu schaffen. Dazu sind sie gezwungen! Die Parteiprogramme beider Parteien werden von ernsthaften Investoren positiv ausgelegt werden. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß zwischen echten Investitionen und dem Verkauf österreichischer Produktionsstätten an das Ausland zu unterscheiden ist.

Vor den Nationalratswahlen des 3. Oktober wurden viele wichtige, gute und traditionsreiche Unternehmungen an das Ausland verkauft. HTM, Semperit und viele andere Beispiele wären da zu nennen. Solche Transaktionen stellen aber keine Investitionen dar. Im Falle von Semperit kann sogar von einer Desinvestition gesprochen werden. Es wurden keine Arbeitsplätze und keine neuen Produktionskapazitäten geschaffen, sondern sogar abgebaut. Es ist zwar Geld nach Österreich geflossen, aber nicht investiert worden!!! Es bleibt zu hoffen, daß sich in Zukunft Gewerkschaften und Arbeiterkammer gegen solche Transaktionen stellen, denn sie stellen einen glatten "Ausverkauf" dar. Als Investitionen können nur jene Projekte angesehen werden, durch die neue Arbeitsplätze und Produktionskapazitäten in Österreich geschaffen werden. Das neue Motorenprojekt von BMW wäre ein Beispiel dafür. Diese Beispiele sind aber rar.

Sollte die FPÖ als Regierungspartei aus wirtschaftlichen Gründen eine rasche EU-Osterweiterung unter allen Umständen ablehnen bzw. zur Koalitionsfrage machen?

Eder: Nein! Es ist gemeinsam mit der ÖVP ein Weg zu suchen, denn auch die ÖVP kann recht haben. Die Diskussion über die EU-Osterweiterung ist mit allen Argumenten in der Öffentlichkeit zu führen. Gutachten dürfen keine Gefälligkeitsgutachten sein. Hier kann die ÖVP zeigen, was sie unter Transparenz versteht. Es soll einfach die beste praktikable Lösung für Österreich gefunden werden. Der Weg dahin soll den Wählern offen gelegt werden. Auch die FPÖ kann nur Machbares machen. Sie könnte – auch wenn die Verhinderung der EU-Osterweiterung oder ihre Verzögerung wünschenswert wäre – durch ein Platzen der Koalition nichts Besseres für Österreich erreichen. Die ÖVP muß genauso zeigen, daß sie für das Wohl Österreichs eintreten will, wie die FPÖ.

 

Prof. Dr. Rudolf Eder: Der Volkswirt lehrt an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Er ist parteilos und war lange Jahre für die UN-Organisation UNIDO in Afrika


 
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