© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/00 04. Februar 2000

 
Jürgen Rüttgers
Reformer am Rhein
von Alexander Schmidt

Tatsächlich könnte der Rheinländer den Charakter der neue Christdemokraten prägen. Rüttgers, Jahrgang 1951 studierte an der Kölner Hochschule Rechtswissenschaften und Geschichte und war , wie es sich für einen katholischen Studenten im RCDS gehört, im CV aktiv. Seit 1987 gehört er dem Bundestag an und war in der vergangenen Legislaturperiode "Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie". Heute läßt er sich gern im Kölner Gürzenich auf Kölsch-Conventen blicken. Er gilt innerhalb der Union als Modernisierer, obgleich nicht unumstritten. Als er dann bei Veranstaltungen gelassen in der Rolle als Erzähler mit unverholenem rheinischen Dialekt verkündete, daß die Union doch den Kampf gegen die Gesamtschule aufgeben solle, stieß er auf Unverständnis.

Seine fröhlich, versöhnliche Art ist es, deretwegen sich der Zuhörer fragt: kann der etwa Recht haben? Wenn andere noch an einer bereits verlorenen Front kämpfen, meint Rüttgers, es - zur Not auch allein - an einer unbewachten Flanke probieren zu müssen. Bisher sind es Themen wie Bildung, Familie und Zukunftsfragen, in denen er sich profiliert. Das ist zum einen seine Stärke, die auch gleichzeitig seine Schwäche darstellt. Er kam als Landesvorsitzender bisher nicht mit Feldern der "harten Politik" aneinander.

Jürgen Rüttgers wird auf mittlere Sicht in der Bundesebene der CDU keine Rolle spielen - wollen. Stattdessen kümmert er sich in den Kreisverbänden und betreibt zusammen mit Landräten in Nordrhein-Westfalen die Graswurzelrevolution. So wäre er dort der erste christlich-konservative Ministerpräsident seit 33 Jahren. Was das für seinen Einfluß auf die politische Orientierung auf Bundesebene hieße, weiß er sicher ganz genau, ohne als bodenständiger Rheinländer mit einem Umzug in das feindliche Preußen zu kokettieren. Rüttgers neuester Coup: er will den Parteien an den Kragen.

In einem Gastbeitrag der Woche und einem Interview mit dem Bonner Generalanzeiger kritisierte er jetzt die Ausweitung der Parteien in Ebenen, in denen sie keine Zugangsberechtigung hätten. Auch damit wird er vorerst müde Parteimitglieder, die ihre Karriere den drei schwarzen Buchstaben verdanken, aufwecken. Rüttgers aber denkt weiter, er weiß daß es besonders in NRW bedeutend mehr rote Karrieristen gibt. Schafft er bei den Kommunalwahlen den Durchbruch durchbruch, müssen sich viele eine Frage stellen. Rüttgers, auf den zweiten Blick doch konservativ? Der Mininsterpräsident in spe will ohnehin nicht eingeeordnet werden. Er betont immer wieder gern, sachlich, aber nicht ohne eine Grundüberzeugung Fragen aufzugreifen und sie so zu lösen, daß die für ihn wesentlichen Punkte noch enthalten bleiben.Zwar kein Dregger, aber noch weniger Geißler.


 
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