© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/00 21. Januar 2000

 
Parteien: Wie die FDP in Nordrhein-Westfalen Hitler als letzte Hoffnung instrumentalisiert
Möllemanns Obsessionen
Moritz Schwarz

Wenn nichts mehr geht, muß Hitler ran! Die Freidemokraten in NRW sind so frei, ihr Wahlkampf-Panoptikum für die Landtagswahl im Mai um einige eigentümlichen Figuren zu erweitern: Sekten-Guru Bhagwan, Horror-Star Freddie Krüger und vor allem Großverbrecher Hitler. Die FDP in bester Gesellschaft?

Mit diesen drei Ikonen des Bösen, ergänzt um den Slogen "Wenn wir nicht schnell für mehr Lehrer sorgen, suchen sich unserer Kinder selber welche" will die FDP im Mai in die NRW-Landtagswahl ziehen. Und noch eine Figur aus der moralischen Zwischenwelt ziert den Plakatentwurf, wenn auch nur mit Namen: Rücktrittsminister und Fallschirmbruchpilot Jürgen W. Möllemann, kurz Möllemann. Der einstige Bundesminister für (Vettern-) Wirtschaft, wie damals die ganze Nation witzelte, war 1993 wegen Polit-Peanuts (Ministeriums-Briefköpfe in Privatgebrauch) zurückgetreten, für die sich die CDU heutzutage wohl nicht einmal entschuldigen würde.

Doch der naive Möllemann sagte tatsächlich die Wahrheit, übernahm die Verantwortung und ging. Wahrscheinlich war er erst damit bei seinen Politikerkollegen wirklich unten durch: Kann denn dem Wähler tatsächlich zugemutet werden, jemandem zu vertrauen, der noch nicht einmal einen Skandal aussitzen kann? Keiner konnte Möllemann damals mehr leiden. Fiese Witze machten die Runde, Franz Josef Strauß hatte früher schon nur schenkelklopfend vom "Riesenstaatsmann Mümmelmann" gesprochen und Harald Schmidt hetzte sein Publikum so erbarmungslos auf die leichte Beute, daß Möllemann es vorzog, sein Telefon abzumelden. Allein Claudia Schiffer stellte sich ihm noch demonstrativ zur Seite. Hübsch, aber nutzlos.

Dabei wäre Möllemann wohl gerne so skrupellos wie die übrigen Politiker gewesen: Als in den folgenden Jahren diverse schwerwiegendere Affären folgenlos blieben, sagte er selber von sich, mit seiner politischen Korrektheit komme er sich inzwischen vor wie ein Idiot. Aber mit seiner offenherzigen Art und seinem Gespür für Fettnäpfchen schlug er eben zu oft den falschen Ton an.

Offenbar hat er allerdings inzwischen dazugelernt, denn wie Graf Dracula von den Toten, ist Jürgen Möllemann als Landeschef der Liberalen in NRW wiederauferstanden. Doch zielsicher greift er auch diesmal wieder voll daneben. Je kleiner die Partei, desto lauter das Geschrei. So oder ähnlich muß er sich wohl den Weg zu seinen anvisierten acht Prozent Erfolg vorstellen. Und holt gleich den großen Knüppel aus dem Sack: Den Leatherman des Schreckens, Adolf Hitler, Diktator, Brandstifter, Massenmörder und Angriffskrieger in einem. Vom Spiegel lernen, heißt siegen lernen, hat er sich wohl gedacht: Hitler sells! Und so hat er sich den bei dem Hamburger Nachrichtenmagazin so beliebten Frontpageman einmal ausgeliehen. Der Spiegel witterte dann wohl auch, daß ihm hier ein Verfangen in selbst ausgelegten Schlingen drohen könnte, verzichtete auf Kommentierung und begnügte sich stattdessen in seiner jüngsten Ausgabe mit einem auffällig unauffälligen Möllemann-Kurzinterview.

Gezielt habe man nach einem "Schocker" gesucht, so Möllemanns-Wahlkampfleiter Fritz Georgen. Und überhaupt sei alles von Generalsekretär Guido Westerwelle abgesegnet.Um so schlimmer!

So ganz kritiklos wollte der Spiegel sein geschmackloses "Maskottchen" der FDP dann doch nicht überlassen und mäkelte, ob Hitler in dieser Darstellung nicht zu "positiv" wegkomme? Das muß Futterneid sein, als ob der Spiegel nicht genau wüßte, welche Gänsehaut beim Betrachter der Anblick des "Gröfaz" auslöst: Das Hitler-Bild soll im Unterbewußten den Reiz auslösen, daß hier etwas gaaanz gefährliches droht. Möllemanns politische Existenzangst ähneltoffenbar derjenigen der Arbeitslosen vor 1933, die in Hitler die "letzte Hoffnung" sahen. Das Plakat ist doppelt dämlich: Erstens banalisiert es in geschichtlich ignoranter Weise den Nationalsozialismus, zweitens baut Möllemann einen Popanz auf, den es selbst an der desolatesten Gesamtschule von NRW nicht gibt.

Wenn einem positive Inhalte ausgehen, setzt man auf Horrorszenarien. Die Autonome Antifa Kreuzberg sollte Möllemann für seine intellektuelle Einfältigkeit den Leninorden am Bande verleihen.

Klar, Werbung will manipulieren und setzt auf den niederen Instinkt. Und Möllemann weiß wie gefährlich die Moralkeule ist: So pflichtete er sofort aller Kritik, Hitler werde verherrlicht, bei und übte vorsichtshalber Selbstkritik. Brav versprach er, an Hitlers Fiesheits-Faktor nachzubessern. So wird also dann demnächst ein noch diabolischerer Adolf Hitler die Menschen im Rheinland und Westfalen zugunsten der FDP erschrecken. Ein weiterer Schritt hin zur (negativen) Pop-Ikone Hitler, weg von der historischen Dimension. Hitler gelöst von seinen Verbrechen, hin zur beliebigen Chiffre für alles Böse schlechthin. Die "Kids" finden es vielleicht nach dem Mölli-Plakat erst "cool", sich Adi in Farbe in Kinderzimmer zu hängen. Wer auch immer die deutsche Geschichte billig entsorgen wollte, er sollte es Möllemann gleichtun. Die Banalisierung des Bösen befördert das Verschwimmen historischer Wahrheit.

Doch nicht nur am Konterfei von Hitler muß nachgebessert werden, Teene-Slasher (so der US-Fachbegriff) Freddie Krüger ist der Nächste. Möllemann hat sich nämlich nicht um die Rechte an dem beim Kinopublikum so beliebten Backfischtranchierer bemüht. Nun wird also bald neben Hitler ein Plätzchen frei. Wer hat das Zeug zur Nachfolge? Eine weitere Figur aus dem Repertoire amerikanischer Kino-Kinderschlitzer und Massenmörder (übrigens allesamt dem Namen nach deutscher oder zumindest niederländischer Abstammung) brächte die selben Probleme. Eine Alternative wäre Haudrauf Ernst August von Hannover. Bleibt eine radikale Konzept-Änderung: Möllemann selbst, daneben Kohl und Schäuble, und darunter das Panier: "Wenn wir nicht schnell für andere Politiker sorgen, sucht sich das Volk endlich selber welche".


 
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