© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/00 21. Januar 2000

 
Entscheidung über Kunst im Reichstag
Alexander Schmidt

Die Kontroverse um den Prozeßkünstler Hans Haacke geht in der kommenden Woche in die zweite Runde. Am 25. Januar tagt der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages erneut, weil der Vorschlag, im Reichtag einen riesigen Trog mit Erde zu installieren, nach Bekanntwerden auf den Widerstand vieler Bundestagsabgeordneter stieß (die JF berichtete).

Neben den Bedenken, ob der Reichstag unter der Last der Erde zusammenbrechen könnte, richtete sich der Unmut vor allem gegen die Widmung "Der Bevölkerung", die in Leuchtbuchstaben zu lesen sein soll. Jetzt kann es also passieren, daß der "Kitsch in Eimern" (Antje Vollmer), nicht aber der Reichstag, buchstäblich unter dem Votum der Volksvertreter zusammenbricht.

In einem CDU-Papier, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, wird die Frage gestellt, welche Bevölkerung mit der Widmung gemeint sei. "Die von Berlin, die von Brandenburg, die von Deutschland, die von Europa oder gar die der ganzen Welt?" Der Haackeschen Negativsicht solle durch ein Kunstwerk das Positive entgegengesetzt werden. "Wir sind ein Volk", "Wir sind das Volk", seien die Parolen der Hoffnung und der Befreiung gewesen, die nicht ins Negative umgedeutet werden könnten. Die Absicht des Künstlers, eine "kritische und kontroverse Diskussion im Deutschen Bundestag und in der Bevölkerung anzuregen", wie es in einer Stellungnahme Thierses heißt, wird von der CDU/CSU-Fraktion nicht gewollt.

Eine Anfrage der JUNGEN FREIHEIT im Deutschen Bundestag ergab, daß bei der kommenden Sitzung nun erneut über das Projekt abgestimmt werde. Andere Vorschläge sind aber bisher noch nicht bekannt, was zur Folge haben könnte, daß der geplante Platz im Lichthof Nord möglicherweise frei bleibt oder bei einem positiven Ergebnis der Trog im Reichstag installiert wird. Ebenso unklar wie die Entscheidung, ob das Projekt durchgeführt wird, ist nach einer Stellungnahme des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse auch die Frage nach den Kosten, die immer noch nicht beantwortet werden kann.

Wenn die Fraktionen geschlossen stimmen, kann die Union nichts ausrichten. Mit den Liberalen zusammen verfügt sie nur über 8 Sitze im Kunstbeirat, die Sozialdemokraten, Grüne und PDS besetzen insgesamt 14 Plätze.


 
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