© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/00 14. Januar 2000

 
Bundeswehr: Der Erfolg Tanja Kreils sorgt in der Armee für Aufregung
Der Krieg als weibliches Erlebnis
Alexander Schmidt

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom Dienstag wird die Bundeswehr in Zukunft auch Frauen zum Dienst an der Waffe zulassen müssen. Das ist das Ergebnis der Klage der Elektrotechnikerin Tanja Kreil (23), die sich für eine Laufbahn in der Instandsetzung der Bundeswehr beworben hatte und abgelehnt worden war, weil die Bundeswehr Frauen zur Zeit nur im Sanitäts- und Musikwesen vorsieht.

Der Präsident des Gerichtshofes, Gil Carlos Rodrigues Iglesias, sagte, daß das deutsche Recht der Gleichbehandlung entgegenstehe, weil es Frauen vom allgemeinen Dienst an der Waffe ausschließe. In der Urteilsbegründung führt er aus, daß Berufsbeschränkungen nur für "solche Tätigkeiten, für die das Geschlecht aufgrund ihrer Art oder der Bedingung ihrer Ausübung eine unabdingbare Voraussetzung darstellt", gelten dürfen. Mit dem Ausschluß von Frauen aus weiten Teilen der Bundeswehr habe die Bundesregierung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Nach dieser europäischen Vorgabe muß nun geprüft werden, ob als Konsequenz des Urteils eine Grundgesetzänderung vorgenommen werden muß, um dem Urteil aus Luxemburg nachzukommen. Ist dies tatsächlich der Fall, verzögert sich die Umsetzung bis auf weiteres.

Bernard Gertz, Vorsitzender des Bundeswehr-Verbandes (DBWV) spekuliert jedoch, daß das Urteil mit dem Grundgesetz durchaus vereinbar sei. Man könne den Artikel 12 a, Absatz 4, Satz 2 auch so auslegen, daß er Urteilskonform sei. "Beim Thema Auslandseinsatz der Bundeswehr", so Gertz "war man auch der Meinung, das ginge nicht ohne Grundgesetzänderung." Bereits in den siebziger Jahren kam es zu einer ersten Debatte über Frauen in Uniform, die unter dem Mantel der Bedarfsdeckung an Soldaten im Sanitätsdienst gesellschaftspolitisch bestimmt war. Seit 1975 fanden dann erste Sanitäterinnen den Zugang zur Truppe.

Heute beträgt der Frauenanteil in der Bundeswehr 1,3 Prozent, das entspricht ungefähr 4.300 Soldaten. Obwohl das Urteil von allen Bundestagsparteien gelobt wurde, besteht bisher noch Unklarheit darüber, in welchen Truppenteilen Frauen demnächst Platz finden. In einer ersten Stellungnahme nach dem Urteil sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Paul Breuer, daß für ihn Frauen in Schützengräben oder als Einzelkämpfer ausgeschlossen seien. Ebenso lehne er eine allgemeine Wehrpflicht für Frauen ab. Wie in anderen Armeen auch, könnten sie aber als Pilotinnen und in unterstützenden Einheiten eingesetzt werden.

Zu Kampfunterstützungseinheiten gehören zum Beispiel auch Pioniere, zu deren Ausfabenfeld es gehört, "die Bewegung des Feindes zu hemmen". Damit kann eine theoretische Unterstützungstruppe schnell in das Kampfgeschehen mit einbezogen werden. Eine Beteiligung von Frauen in Schützengräben wäre damit trotz des Einsatzes in sogenannten Unterstützungstruppen nicht auszuschließen."Der Dienst mit allen Konsequenzen – auch dem Kampfeinsatz – muß möglich sein", fordert die SPD-Abgeordnete Verena Wohlleben, Mitglied des Verteidigungsausschusses.

Auch die FDP will, daß Frauen die Chance erhalten sollen, in alle Laufbahnen einzusteigen, wenn sie sich als qualifiziert erweisen.In vielen Ländern ist es normal, daß Frauen neben ihren männlichen Kameraden im Schlamm liegen. Bei allen europäischen Nachbarn, mit Ausnahme von Italien und Luxemburg, dienen Frauen in den Streitkräften. In den meisten Fällen bleiben ihnen jedoch Kampftruppen oder Dienstposten in Spezialeinheiten versagt.

Lediglich Norwegen, Spanien und Ungarn haben schon eine vollständige Öffnung vollzogen. In Israel gilt sogar die Wehrpflicht für Frauen und Männer. Eines der größten Probleme bei Frauen in den Streitkräften ist die körperliche Leistungsfähigkeit, insbesondere die Arm- und Schulterkraft.

"Auf Mindestanforderungen kann diesbezüglich nicht verzichtet werden", heißt es bei der Bundeswehr. Eine Prüfung der körperlichen Leistungsfähigkeit führte etwa in Dänemark zu zeitweilig hohen Ablöseraten. Wehrdienstgegner nutzten die Debatte, um erneut eine Abschaffung der Wehrpflicht in das Gespräch zu bringen.

Auch DBWV-Vorsitzender Gertz hält diese Vorstellung bei einer stabilen sicherheitspolitischen Lage für realistisch. Bereits jetzt sieht er eine Verkürzung der Wehrpflicht auf bis zu vier Monate für möglich, wenn eine Reform des Reservistensystems erfolge.


 
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