© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/00 07. Januar 2000


Fernsehen: Wie die Teletubbies mit Brabbeln und Sabbeln die Kinder-Welt erobern
Machen winke-winke
Volker König

Zugegeben: Bevor ihn eine junge Dame, dem Görenalter eigentlich schon entwachsen, auf diese Fersehserie aufmerksam gemacht hatte, hielt der Verfasser "Teletubbies" eher für einen neudeutschen Fachbegriff aus dem Bereich der Nachrichtenelektronik. Jetzt aber kennt er sie, und es ist mit der kindlichen Tele-Unschuld für immer aus und vorbei. Teletubbies – das ist Kult, das ist das coolste, was je über den Bildschirm flimmerte; vom Testbild vielleicht einmal abgesehen.

Drogen machen süchtig. Je sinnloser, je verheerender, desto besser. Und sie geben Antworten auf alle Fragen. Die Teletubbies sind eine solche Droge. Ecstasy für Kinder und kindische Gemüter. So einfach, so überschaubar, so einfältig-eindeutig ist dieses Weltbild, diese Teletubbie-Welt. Wer sollte ihr nicht verfallen? Gestehen wir es ruhig: Jeden Morgen um 8.30 Uhr greift die zittrig erregte Hand die Fernbedienung des Fernseher, werden die Sekunden gezählt, bis es auf dem Kinderkanal wieder heißt: "Zeit für Teletubbies! Zeit für Teletubbies!" Dann sind sie entlich da, die Wesen namens Dipsy, Tinky Winky, Laalaa und Po, vier Gnome in knallbunten Overalls, um "den Tätigkeiten Hopsen und Essen, Essen und Hopsen" (FAZ) nachzugehen. Und das auf den Fernsehkanälen von mittlerweile 53 Staaten.

Bei soviel Medienpräsenz war eine wissenschaftliche Tagung zum Tubbie-Thema überfällig. Sie fand Anfang Dezember in München statt. Auf Einladung des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) kamen da aus aller Herren Länder Wissenschaftler zusammen, um sich die Köpfe über das 1997 für die BBC erfundene Brabbel-Quartett dessen Zielgruppe Ein- bis Dreijährige sind, heiß zu reden. Damals hatte es erhebliche Bedenken gegen die Sendung gegeben, weil man negative Folgen für die Sprachentwicklung von Kleinkindern befürchtete. Schließlich bevorzugen die Teletubbies Quak- und Kichergeräusche und lassen pro Sendung kaum mehr als zehn Worte Normalsprache über ihre Lippen kommen.

Genau das fand in München aber den Beifall vieler Wissenschaftler. "Die Sendung entspreche den entwicklungsbedingten Bedürfnissen und Interessen der Kinder", zitierte die FAZ die Meinung des IZI. Beeinträchtigungen der kindlichen Sprachentwicklung seien nicht zu befürchten. Natürlich nicht. Schließlich senken Horrorvideos auch nicht die Gewaltschwelle bei Jugendlichen. Außer in Meißen.

Vom Tagesablauf der vier Wesen erfährt man recht wenig. Sicher ist nur, daß die Teletubbies in einem futuristischen High-Tech-Haus wohnen, in dem es wie auf der Kommandobrücke eines Raumschiffs überall blinkt und piept und eine Art Staubsauger mit großen Glupschaugen und nervtötenden Schlürfgeräuschen auf und ab fährt. Dort pennen die Tubbies in den Tag hinein, bis ihnen eine Maschine zuröhrt, daß es Zeit zum Essenfassen ist. Die morgendliche Leckerei besteht aus einem dickflüssigen rosafarbenen "Tubbie-Pudding", der aus einer Maschine trieft, deren Geräusche weniger an eine Küche denn ans stille Örtchen erinnern. Fast Food auch am Abend: Dann fliegt aus einer seltsamen Apparatur im hohen Bogen jedem Tubbie ein Toast auf den Teller.

Neben den Mahlzeiten besteht der Tubbie-Tag aus Herumhopsen in einer parkartigen Gartenlandschaft, in der es von Kaninchen nur so wimmelt und Kunstblumen, die mit quietschiger Stimme Kommentare zum Zeitgeschehen abgeben. Eine friedliche Umgebung sei das, "in der Technik und Natur eine Symbiose eingegangen sind", hieß es dazu auf dem Tubbie-Kongreß in München. Die Technik in der Tubbie-Welt besteht übrigens aus einem aus der Erde hervorratternden Duschbrausekopf, der als Mikrofon den Teletubbies Handlungsanweisungen erteilt. Der große Bruder, der für das bunte Quäkquartett die Regie gibt, bleibt übrigens stets unsichtbar. Um so mehr gibt es dafür in den Tubbies zu sehen. Jawohl, in ihnen, besitzt doch jeder Tubbie auf dem Kopf eine groteske Antenneninstallation, die von einem gigantischen Pusterad – ein Hoch auf die Windkraftnutzung! – angemorst wird, was zur Folge hat, das sich auf dem Bäuchlein der Tubbies ein Bildschirm manifestiert, aus dem – ausnahmsweise einmal reale – Kinderscharen nach Kräften "Haalloo" rufen, womit ein kurzer Film eingeleitet wird. Der wird übrigens je nach Land oder Kulturkreis ausgetauscht. Praktizierte one world mit Ethno-Nische.

Wie stinknormal – nein: stockkonservativ – ist dagegen doch der deutsche Sandmann, diese spießige Mischung aus altgermanischem Kobold und zynischer Ulbricht-Kolportage, der den Kleinkindern mittels suggestiver Augenverschmutzung feinkörnigen Juckreiz unter die Lider jubelt. Klar, dessen Message ist voll daneben; Eintrübung der Sicht, Vernebelung der Sinne - ein klassischer Fall von typisch deutscher, irrationaler Romantik, diesmal eben aus dem Märchenwald. Und dann noch: Sand. Sand = Boden, Boden = bodenständig, bodenständig = usw. Kein Wunder, daß der Sandmann ein Ossi ist – die haben doch sowieso nur ihre Broiler und Lübze Pils im Kopf und wählen links-schwenkt-rechts-radikal.

Außerdem: es handelt sich um einen Sandmann! Ein solch patriarchalischer Lapsus ist den Machern der Teletubbies nicht unterlaufen. Geschlecht, Alter, Nationalität, das alles spielt im Tubbie-Land keine Rolle. Dafür gab es auch artiges Lob auf dem ominösen Tubbie-Kongreß von zwei israelischen Wissenschaftlern. Die attestierten den Teletubbies, daß sie eine "universelle Ideologie von einer friedlichen, geschlechtslosen Welt" verkörpern. Das ist trendy, das ist hip, das ist cool. Come together. The future. Wow.

Letztlich verkörpert die Welt der Teletubbies damit eines: ein getreues Abbild des heutigen gesellschaftlichen Zustandes. Verkürzte Stummelsprache, Fast Food, Techno-Tempel mit Alibi-Grün ringsum. Gender-Wesen statt Familie – behaupte niemand, die Tubbie-Welt sei irreal.

Vor allem aber ist sie so schön bequem. Statt die Kleinen zur kollektiven Selbsterziehungsgruppe zu schleppen, postiert man sie einfach im Fernsehsessel: Brabbelstunde statt Krabbelstunde.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen