© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/97 u. 01/98  19. Dezember / 26. Dezember 1997

 
 
Bundeswehr: Soldaten als Prügelknaben
Deutscher Masochismus
von Kai Guleikoff

Kein Volk dieser Welt läßt eine derartig abstoßende Kampagne gegen die eigenen Streitkräfte zu wie das deutsche. Beginnend mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur grundsätzlichen Verwendung der Parole "Soldaten sind Mörder" über die pseudowissenschaftliche Studie des amerikanischen Soziologen Daniel Goldhagen zum "eliminatorischen Antisemitismus" bis zur inzwischen berüchtigten Anti-Wehrmachts-Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944".

Das seit 1990 entstehende neue Nationalbewußtsein der Deutschen soll durch Wiederbelebung der historisch widerlegten Kollektivschuldthese nachhaltig gestört werden. Für die Initiatoren unerwartet entstand ein Proteststurm gegen die Geschichtsfälscher. Zahlreiche Publikationen zur Richtigstellung der unhaltbaren These von den "Verbrechen der Wehrmacht" sind in kurzer Zeit entstanden. Ein Zeichen dafür, daß Millionen noch lebender Kriegsteilnehmer im In- und Ausland eine derartige Ehrabschneidung nicht hinnehmen wollen. Von Bedeutung ist dabei der Umstand, daß der frühere "Feind" dem deutschen Soldaten beisteht. Es ist schon ein gravierender Unterschied, seine Gesundheit hingegeben zu haben und mit Auszeichnungen geehrt zu sein im Kampf gegen die besten Soldaten der Welt und nicht gegen eine "Mörderbande" oder "Verbrecherhorde".

Die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e.V. Hamburg mit ihrem Vorsitzenden Brigadegeneral a.D. Reinhard Uhle-Wettler hat mit dem Buch "Armee im Kreuzfeuer" einen bereits stark beachteten Beitrag geleistet. Namhafte Autoren, die alle Soldaten waren oder sind bzw. fundierte Sachkenntnisse auf militärischem Gebiet besitzen, haben sich der am meisten diskutierten Themen zur Einordnung des Soldaten in Politik und Gesellschaft gestellt. In sieben Kapiteln und einem dokumentarischen Anhang werden Antworten und Denkanstöße gegeben gegen Vereinfachungen und Verallgemeinerungen des Zeitgeistes. Ausgezeichnet die Ausführungen von Kapitän zur See Dieter Stockfisch, aktiver Offizier und Referatsleiter im Führungsstab der Marine, zum Selbsthaß der Deutschen und ihrem Ansehen im Ausland: "Wer die Geschichte eines Volkes kriminalisiert, macht es krank … Diese Art der Zerknirschung, die nach außen so abstoßend und schamlos wirkt? ‘Es gibt auch eine Schamlosigkeit der Buße’, so jüngst ein Ausländer über die deutsche Selbstzerfleischung – und mit dem Verlust des Schamgefühls beginnt der Schwachsinn, das hatte Sigmund Freud schon entdeckt".

Der Beitrag des Jesuitenpaters Lothar Groppe zu Desertion und der Rolle der deutschen Militärjustiz im Weltkrieg gehört zu den besten Richtigstellungen in jüngster Zeit. Groppe weist nach, daß die große Mehrheit der 1630 Wehrmachtsjuristen dem rechtsstaatlichen Denken auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahr 1900 verpflichtet war und erst danach der NS-Ideologie. Stellvertretend dafür stehen die beiden Chefs der Rechtsabteilungen von Luftwaffe und Heer, die Generalstabsrichter Schleicher und Sack. Wegen Widerstandes gegen rechtliche Willkür sind sie von den Nationalsozialisten hingerichtet worden. Die Offziere des 20. Juli 1944 wurden aus diesen Gründen auch nicht vor ein Kriegsgericht gestellt, sondern nach "Ausstoß" aus der Wehrmacht vor den "Volksgerichtshof", dem Charakter nach ein Parteigericht der NSDAP. Aufschlußreich ist auch die Gegenüberstellung von Wehrmacht und Roter Armee bei den Straftaten Entfernung von der Truppe, Fahnenflucht und Feigheit vor dem Feind. Wegen Fahnenflucht sind 13.550 Wehrmachtssoldaten kriegsgerichtlich verurteilt worden, davon 6.000 zum Tode. Dabei wird von der Gesamtzahl von 15 Millionen (!) ausgegangen, ohne Waffen-SS und andere Kombattanten. Russische Angaben für den gleichen Zeitraum weisen etwa 100.000 Exekutionen aus, zumeist ohne Kriegsgerichtsverfahren. Und Rußland hält bis heute an der "Rechtmäßigkeit" dieser Urteile fest.

Dank und Anerkennung verdient nicht zuletzt der Herausgeber Joachim F. Weber, der als Reserveoffizier der Bundeswehr mehere Monate im IFOR-Einsatz in Kroatien und Bosnien war. Die ausgezeichneten Einschätzungen der deutschen Bundeswehr durch das Ausland bestätigen nur die traditionelle Festigkeit der "Armee im Kreuzfeuer".

Joachim F. Weber (Hrsg.): Armee im Kreuzfeuer. Universitas Verlag, München 1997, geb., 288 S.


 
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