© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/97 u. 01/98  19. Dezember / 26. Dezember 1997

 
 
"Afrikanismus": Enteignungs-Drohungen gegen weiße Farmer in Simbabwe und Südafrika
Fremde Felder gegen den Frust
JF

Siebzehn Jahre nachdem das von einer kleinen weißen Oberschicht regierte Rhodesien zum heutigen Simbabwe wurde, zerbrachen mit den jüngst veröffentlichten Enteignungsplänen auch die letzten Hoffnungen der 4.000 verbliebenen weißen Farmer. Diese besitzen ein Drittel des Bodens und sind der wichtigste Wirtschaftsfaktor (30% der Jahresproduktion und 40% der Deviseneinnahmen des Staates).

Obwohl die Folgen für die ohnehin schlecht funktionierende Wirtschaft des südafrikanischen Landes nach Ansicht von Experten katastrophal sind, hat die Regierung Mugabe die Enteignung von 1.503 Farmen mit einer Gesamtfläche von fünf Millionen Hektar beschlossen und außerdem mit weiteren Enteignungen gedroht. Westliche Medien und auf den Außenhandel fixierte Wirtschaftskreise reagierten auf die radikale Maßnahme überrascht. Dabei hatte sich diese schon lange angebahnt.

Die ersten Enteignungsdrohungen in den 80er Jahren mußten noch nicht ganz ernstgenommen werden, zumal Präsident Mugabe während des "Kalten Krieges" auf den Sieg seiner ANC-"Genossen" in der Republik Südafrika bedacht war und ein solcher Schritt bis Anfang der 90er Jahre kontraproduktiv gewesen wäre angesichts der absehbaren Reaktionen unter den weißen Südafrikanern. Enteignungen in Simbabwe hätten damals einen Aufschub der Machtübernahme des ANC bedeuten können. Erst nach dem Ende des Apartheidsregimes 1994 gehörte im nördlichen Nachbarstaat jegliche Zurückhaltung der Vergangenheit an. Auf Kritik der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien reagierte Mugabe mit dem Vorschlag, daß London die Kosten für die Entschädigung der Farmer ja aus der eigenen Tasche bestreiten könne.

Rein quantitativ betrachtet scheinen die wahren Opfer der Politik Robert Mugabes die 327.000 schwarzen Arbeiter auf den Farmen der weißen Siedler zu sein. Dem Bauernbund zufolge behalten nach der Nationalisierung nur rund 180.000 von ihnen ihre alte Anstellung. Die Produktion wird nach Berechnungen der Ökonomen um 37% fallen, der Export von 10 Milliarden Simbabweschen Dollars auf 6,6 Milliarden zurückgehen.

Für Mugabe steht offenbar so viel auf dem Spiel, daß er all dies billigend in Kauf nimmt. Zuvorderst sind die Enteignungen wohl als Versuch zu werten, seine schwindende Popularität unter einer inzwischen weiter verarmten schwarzen Bevölkerung wieder zu stärken. In diesem Anliegen ist auch der Grund für die massiven finanziellen Zugeständnisse zu sehen, die die Regierung Mugabe 1997 den rund 50.000 unzufriedenen "Veteranen" seiner Zanu (PF)-Bewegung machte. Die alten Kämpfer hatten seit dem Ende des Krieges und der Machtübernahme im Jahre 1980 kaum Vorteile vom Sieg der ehemals maoistischen "Befreiungsbewegung" davongetragen. Dafür gestand ihnen Mugabe nun eine Abfindung von 50.000 Simbabweschen Dollars sowie eine monatliche Rente von 2.000 SimDollars zu, zahlbar ab Dezember 1997.

Bloß hatte die Regierung nicht annähernd das erforderliche Geld zur Verfügung, um ihrem Versprechen auch nachkommen zu können. Mugabe versuchte deshalb, durch Steuererhöhungen die Finanzierung sicherzustellen. Doch das Parlament rebellierte, so daß sich die Regierung in diktatorischer Manier per Dekret über die Widerstände hinwegsetzen mußte. Am 9. Dezember kam es wegen der Steuern in Harare zu einer Großdemonstration des Gewerkschafts-Dachverbandes ZCTU mit Tausenden von Teilnehmern, die gewaltsam aufgelöst wurde.

 

Der Druck zur Umverteilung wird größer Der faktische Alleinherrscher Mugabe versucht jetzt, durch großzügige Umverteilung von Land die erhitzten Gemüter zu beruhigen und die Kleinbauern des Landes, die immerhin 70% der 12-Millionen-Bevölkerung ausmachen, von der Notwendigkeit einer Fortsetzung seiner Regierung zu überzeugen. Jedoch wurden schon früher große Landstriche an die Kleinbauern übertragen – mit wenig Erfolg. Die neuen Eigentümer scheiterten nicht nur infolge des Mangels an unterstützender Infrastruktur, sondern in Wahrheit zeigten nur wenige irgendwelches Interesse daran, mehr als nur das zum Eigenverbrauch Nötige zu produzieren. Auch sollen große Teile des enteigneten Landes durch Mugabe an wichtige Politiker seiner Regierung bzw. potentielle Rivalen wie Joshua Nkomo übereignet worden sein. Dies sei, so meinen manche Kritiker, wohl auch diesmal der Fall. Nicht zuletzt gibt es eine weitere – in den großen Medien oft unerwähnte – Erklärung des aktuellen Geschehens in Simbabwe: den "Afrikanismus". Ähnlich wie der "Asianismus" beinhaltet auch der sich immer größerer Beliebtheit erfreuende "Afrikanismus" eine ausgeprägte Skepsis gegenüber den Wertmaßstäben der westlichen bzw. nördlichen Welt beispielsweise im Hinblick auf die Menschen- und Eigentumsrechte sowie ökologische Fragen.

In der politischen Realität wird aus einem romantischen, meist von gutmeinenden "Afrikanismus"-Vordenkern entworfenen Traumbild eines neuen, auf der Basis der eigenen Traditionen begründeten Afrika allzu oft ein Alptraum. So erging beispielsweise in Südafrika, dem einst stärksten Staat des Kontinents, von dem zum Afrikanismus neigenden neuen Präsidenten Thabo Mbeki die Warnung an alle Weißen im Land, daß sie die von ihnen erwarteten "Opfer" entweder freiwillig machen müßten oder man sie dazu zwingen würde. Auch hier hat die Regierung mehr als 8.000 Ansprüche auf Umverteilung bzw. "Rückgabe" von Ländereien registriert, wobei dies nur die Spitze des Eisberges ist. Der interne und externe Druck auf die ANC-Regierung, die 60.000 weißen Farmer notfalls mit Enteignungen "zur Einsicht" zu zwingen, nimmt immer mehr zu.

Die Zahl der Viehdiebstähle und Morde hat in Südafrika ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht. Im Schnitt alle drei Tage wird eine weiße Farmerfamilie auf bestialische Weise ermordet. Den Berichten der wenigen Überlebenden solcher Verbrechen zufolge ist das eigentliche Motiv oft politischer Natur. Die Regierung gibt sich machtlos und ebenso wie die Masse der Bevölkerung eher gleichgültig. Die Polizei vermag wenig auszurichten, und die Gerichte sind überfordert bzw. durch die Folgen der "Affirmative Action"-Programme nicht selten handlungsunfähig.

Der Gewerkschafter Flip Buys wies zu Recht darauf hin, daß es sich letztlich um eine philosophische Frage handle, nämlich die, ob man der Ansicht sei, daß Weiße in Afrika grundsätzlich nichts zu suchen hätten, oder ob ein Minimum an Toleranz und Verständnis besteht für die Situation jener Siedler, die seit 350 Jahren in Südafrika leben und die in dünnbesiedelten Gebieten und mit relativ wenigen Konflikten einen modernen Staat aufgebaut haben.

Im Gegensatz zum abrupten Beginn der Kolonialepoche und dem damit verbundenen Raub großer Landflächen in Simbabwe 1890 war der erste Kontakt zur schwarzen Bevölkerung in Südafrika im Jahre 1740 – ungefähr neunzig Jahre nach der Ankunft der ersten weißen Siedler am Kap – friedlich. Während der Apartheidsepoche befanden sich dann rund 87% des Landes im Besitz der Weißen. Doch diese Ziffer täuscht, denn 53% der Oberfläche Südafrikas sind Wüste oder Halbwüste, während nur 12% aus wirklich gutem Ackerland bestehen. Davon waren allerdings schon während der "Homeland"-Politik rund die Hälfte in schwarzer Hand, da sie ein selbst von Apartheidspolitikern unbestrittener Teil der traditionell schwarzen Siedlungsgebiete ausmachten. Doch diese Regionen sind aufgrund der Grundbesitzregelungen der Stämme und dem Prestigewert möglichst großer Viehherden zu einem beträchtlichen Teil durch Erosion und ökologische Degeneration geschädigt.

In den Weidegebieten im Zululand sterben bis zu zwei Drittel der Rinder an Altersschwäche, während gleichzeitig viele Kinder schlecht ernährt sind. Dementsprechend groß ist der Druck, die noch relativ intakten Weiden in den angrenzenden Gebieten weißer Farmer in die eigenen Hände zu bekommen.

Nur selten sind die "geschichtlichen Ansprüche" auf Land eindeutig, denn es ist nun einmal eine Ermessensfrage, wie weit man in die Geschichte zurückgehen will, um zu bestimmen, wem denn nun welches Gebiet rechtlich zusteht. Nach Südafrika zum Beispiel sind alle der heutigen Bewohner erst relativ spät im Zuge von Völkerwanderungen gelangt, während die Khoisan als die eigentlichen Ureinwohner von den Weißen und schwarzen Stämmen gleichermaßen ausgerottet wurden.

Nur eines scheint sicher: Solange der Schlachtruf "Afrika für Afrikaner!" nur für Schwarze gilt, wird es für die dort beheimateten weißen Farmer keine Zukunft geben – und für die Schwarzen wenig zu essen. Es ist eine ungern gehörte Tatsache, daß in Afrika in den letzten 30 Jahren – also nach dem Ende der Kolonialära – die Nahrungsmittelproduktion um 30% gesunken ist.


 
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