© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   51/97  12. Dezember 1997

 
 
Enthüllungs-Konjunktur: Buchautoren stellen sich die Frage, wie der FPÖ-Parteivorsitzende wirklich ist
Jörg Haider zwischen Buchdeckeln gepreßt
von Jürgen Hatzenbichler

Die Person von FPÖ-Chef Jörg Haider regt zur Auseinandersetzung an. Manchmal ergreift der Bundesparteiobmann sogar selbst die Feder. Mit "Befreite Zukunft jenseits von links und rechts" (Wien 1997) schlägt Jörg Haider "menschliche Alternativen für eine Brücke ins neue Jahrtausend". Das Buch, das immerhin mit einer Auflage von 12.000 Exemplaren startet, ist das erste in der Reihe "Politica Edition" des Verlages Ibera & Molden. Die Vorbestel-lungen sind gut gelaufen, die Partei ist in den Vertrieb mit eingebunden. Geschäftsführer Hubertus Czernin, vormaliger Chefredakteur bei profil, will den Verlag nicht als FPÖ-Basis sehen. Man habe "die drei potentiellen Kanzlerkandidaten" gebeten, ihre Vorstellungen schriftlich niederzulegen. Haider war halt der erste. Seinem Opus werden die von Viktor Klima (SPÖ) und Wolfgang Schüssel (ÖVP) folgen. Beim Verlag setzt man auf leicht absetzbare Bücher.

Ins deutsche Exil ist man dagegen beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) gegangen: "Haider und die ‘Freiheitlichen’ in Österreich" (Berlin 1997) heißt das "neue" Buch von Brigitte Bailer-Galanda und DÖW-Chef Wolfgang Neugebauer. In der "Antifa Edition" des Verlags "Elefanten Press" wird eine aufgekochte "light"-Variante des "Handbuchs des österreichischen Rechtsextremismus" dargeboten. Aber auch Neuauflagen machen die DÖW-Theoriearbeit im selbstgewählten Widerstand nicht besser. Insgesamt: Nichts Neues in der Wipplingerstraße. Das Buch dürfte wohl auch eher für Leser in Deutschland bestimmt sein, wo Rechte wie Antifas noch gleich "geil" auf Haider sind, wenn auch bekanntlich aus völlig unterschiedlicher Motivation.

Und auch der rechte Teil der Haider-Literatur ist bereichert worden. Nach dem kritischen und sehr solidarischen Zeitschriftenbuch "Volkstribun Haider-Trommler oder Erneuerer", ist nunmehr die erste rechte Haider-Abrechnung erschienen. Ob "Jörg Haider" ein "Patriot im Zwielicht" ist, fragt man im von Rolf Josef Eibicht herausgegebenen Sammelband (Stuttgart 1997), der allerhand rechte Prominenz einträchtig versammelt. Neben Front National-Vorsitzenden Le Pen findet sich Ex-Republikaner-Parteivorsitzender Franz Schönhuber, der Chef der Deutschen Volksunion, Gerhard Frey, und allerhand Nationales aus Österreich selbst, so auch Ex-Nationalratspräsident Otto Scrinzi und Haiders Polit-Ziehmutter Kriemhild Trattnig. Der Politikwissenschaftler Eibicht sieht sein Werk als "konstruktiv kritisch" und freut sich über das große Interesse. Nach sechs Wochen sind 1.500 von 5.000 Büchern schon verkauft, die meisten nach Österreich. Man werde allerdings, so Eibicht, keinen großen Gewinn machen: Immerhin habe man für das Buch "einen politischen und keinen ökonomischen Preis" gemacht. Der Herausgeber bleibt beim Thema Haider, den er für "eine Hoffnung" hält, nicht nüchtern: "Man muß anprangern, daß Haider von den historischen Bezügen Abstand nimmt." Haider werde "ohne Deutschnationale nicht weit kommen", erregt er sich. "Wir haben vor der Geschichte dargelegt wie es ist", meint Eibicht über seinen nationalen Sammelband. Und seine "Hoffnung" Haider demontiert er gleich mit: "So wie er ist, taugt Haider nichts." Daß Haider die Deutschnationalen ausgebootet hat, werde ihm "kein Glück bringen". Haider selbst ist da wohl anderer Meinung.

Der Über-Vater der Haider-Literatur bleibt aber Hans-Henning Schar-sach. Allein an "Haiders Kampf", das über 100.000mal verkauft wurde, hat er 1,5 Millionen Schilling verdient. Das nachgelegte Werk "Haiders Clan" ging 25.000mal über den Ladentisch. Eigentlich wollte er ja über europäischen Rechtspopulismus arbeiten. Scharsach: "Ich war aber unzufrieden damit, daß die Rauschers, Worms und Lingens’ kein Haider-Buch geliefert haben." Diese in einem Gespräch mit Peter Turrini geäußerte Kritik führte zur Turrinischen Aufforderung "Selber schreiben". Und siehe, Scharsach tat es.

Vom Erfolg war der jetzige Leiter der Außenpolitik bei News selbst überrascht: "Ich kann die Frage, warum mein Buch so erfolgreich war, nicht beantworten."  Wahrscheinlich liege es daran, daß sein Buch "einfach strukturiert" sei und man "den richtigen Augenblick getroffen" habe. Er, Scharsach, habe die Auseinandersetzung mit Haider "popularisieren" wollen: "Seit meinem Buch gibt es auch die Haider-Konjunkturliteratur. Wo Haider drauf ist, wird verkauft."

Doch auch das ist mittlerweile schon zu relativieren. "Früher einmal ist ein Haider-Cover Garant für einen guten Verkauf gewesen", meint Molden-Geschäftsführer Czernin, aus seinen Erfahrungen am Magazin-Sektor schöpfend, heute aber sei der Automatismus "Haider geht" nicht mehr gegeben.


 
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