© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/97  05. Dezember 1997

 
 
Hessen: Die Grünen in Frankfurt haben ihr Schäfchen ins Trockene gebracht
Eine stinknormale Partei
von Werner Olles

Zweihundert Sympathisanten – so schätzt die Frankfurter CDU in einem internen Papier – haben die Grünen in ihrer Regierungszeit mit der SPD in der Kommunalverwaltung auf zum größten Teil wohldotierten Posten und Pöstchen untergebracht. Ohne jede Häme kann man behaupten, daß sich noch nie eine Partei so schamlos selbst bedient hat. So gelangte ein Soziologe direkt auf den Chefsessel des Amtes für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, und ein ehemaliger Lehrer erhielt die Führungsposition im städtischen Presse- und Informationsamt, wo er nach BAT 1a entlohnt wird, der Angestellten-Höchststufe. Vorher waren etwa achtzig Bewerbern, die auf eine journalistische Berufspraxis verweisen konnten, kurzerhand Absagen erteilt worden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Frankfurter Römer, Bernhard Mihm, nannte die "Grüngürtel GmbH", deren Aufsichtsratvorsitzender Tom Koenigs ist, eine "Gesellschaft zur Unterbringung politischer Freunde von Koenigs".

Diese Nachfolgerin der Gartenschau-GmbH war einst gedacht als rot-grünes Vorzeigeobjekt. Ihre Vorzüge bestanden jedoch laut Zeitungsberichten darin, 25.000 DM durch Verkauf des Grüngürtelführers zu erwirtschaften, während auf der Gegenseite Aufwendungen in Höhe von 2,3 Millionen DM standen, wobei der Löwenanteil von fast einer Million Mark für Löhne und Gehälter draufgingen, über 300.000 DM Miete für die luxuriösen Büros im Frankfurter Nobelviertel Westend und noch einmal fast der gleiche Betrag für soziale Abgaben und Altersversorgung. Das Jahresgehalt des grünen Geschäftsführers betrug etwa 180.000 DM, nach der drohenden Auflösung bekam er einen Werkvertrag für 22 Monate, in denen er der GmbH halbtags für 330.000 DM zur Verfügung stehen sollte. Nach öffentlicher Kritik wurde sein Salär auf 250.000 DM gekürzt. Spektakulärste Aktion von "Grüngürtel" war indes das Projekt "Umschlag" in Rödelheim, wo Kinder, Künstler und Behinderte gemeinsam ein Stückchen völlig verwahrlostes Land für sich nutzbar machten. Das war es dann aber auch schon!

Ein besonderes trübes Kapitel bei der mehr als freigiebigen Vergabe von Pfründen und Titeln stellt bis heute die "Gutachteritis" dar. So gab es immerhin 400.000 DM für Gutachten mit dem schönen Titel "Frauenspezifischer Nahverkehr" und noch 150.000 DM für "Geschlechterdifferenz und Kommunikation". Auftraggeberin dieser Gutachten – bei denen selbst altgediente SPD-Genossen und grüne Gutmenschen nicht wußten, wozu sie eigentlich dienen sollten – war die heutige Landesministerin Margarethe Nimsch, damals noch Leiterin des Dezernats für "Gesundheit und Frauen". In ihrer recht kurzen Amtszeit verschliß Frau Nimsch nicht nur sieben Referenten und vier Sekretärinnen, von ihr stammt auch die folgenschwere Aussage: "Wir fordern Männer auf, für Gewalt ihrer Geschlechtsgenossen verantwortlich zu sein!" Dieser grüne Unfug war offenbar sogar dem sozialdemokratischen Koalitionspartner zu starker Tobak. Frau Nimsch wurde nach Wiesbaden weggeholt, ihr ehemaliges Amt wird heute wieder von einer SPD-Frau verwaltet.

Einer, der weiß, wo das Brot gebuttert wird, heißt Daniel Cohn-Bendit und sitzt als Abgeordneter der Grünen im Europa-Parlament. War er früher noch vehement dafür eingetreten, "daß kein Haus höher als ein ausgewachsener Baum sein darf", vertraute er nun seiner staunenden Anhängerschaft via Interview an: "Gegen Hochhäuser hatten wir nie etwas!" So kam schließlich das "Ja" der Frankfurter Grünen für weitere sieben Wolkenkratzerobjekte zustande, auf daß die Qualität der berüchtigten Frankfurter Luft noch ein bißchen mulmiger wird.

Daß die Grünen dennoch bei den letzten Kommunalwahlen mit nahezu siebzehn Prozent brillierten, ist wohl nur damit zu begründen, daß Unfähigkeit, Opportunismus, Beutedenken und Schamlosigkeit bei den altkorrupten Parteien – in deren Mitte die Grünen längst einen traurigen Ehrenplatz innehaben – zu den festen Konstanten gehören, die kaum noch einen Wähler abschrecken.

Daß der Trübungsfaktor bei Bündnis 90/Die Grünen besonders auffällt, liegt zum einen daran, daß eine Gruppierung, die erstmals angetreten war, Politik neu zu gestalten, die steinernen Verhältnisse zum Tanzen zu bringen und die Etablierten das Fürchten zu lehren, inzwischen ihr warmes, weiches Plätzchen im Polit-Establishment gefunden hat und sich offensichtlich sauwohl fühlt.

Zum anderen aber war die Betroffenheits-Sahne, mit der die Grünen ihre utopischen Häppchen zierten, so dick portioniert, daß jedermann mit ein wenig Verständnis für moderne Großstadtpolitik wußte, daß dies nur ins Auge gehen konnte.

Wie sollte denn – um Gottes willen – eine "Verweiblichung der Stadt" aussehen? Ist der "ökologische Umbau" eines Molochs wie Frankfurt überhaupt denk- und vor allem durchführbar? Wie kann die "Integration" von inzwischen über dreißig Prozent Ausländern gelingen, wenn diese zum Großteil absolut nicht integrationswillig sind? Reicht bereits der Gesinnungsbonus, um eine Metropole mit all ihren vielfältigen Problemen und Sachzwängen wenigstens vernünftig zu regieren? Bedeutet es nicht eine Simulation von Politik, sich auf linke Spielwiesen wie "Multikulturelle Angelegenheiten", Frauenpolitik, Kindersofortprogramme etc. zurückzuziehen und die unangenehmen Dinge anderen zu überlassen?

Diese Fragen haben sich die Grünen in Frankfurt nie gestellt. Daß sie nun von Hoffnungs- zu Wasserträgern degradiert wurden, ist nur die logische Folge einer Politik, die politisch-korrekte Standard-Formeln und große Worte gern jederzeit mit der Realität verwechselte. Immerhin sind sie nun tatsächlich eine stinknormale Partei geworden: spießig, mit Pöstchenschacher beschäftigt und Sachzwang-Argumente um sich werfend. Kurz gesagt: gut geschmiertes politisches Leergut.


 
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