© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/97  28. November 1997

 
 
Währungsunion: Frankreich will halb Afrika in den Euro schmuggeln
Durch die Hintertür
von Bruno Bandulet

 

Daß der Euro in bis zu 15 Staaten der Europäischen Union (EU) eingeführt werden soll, hat sich inzwischen auch in Deutschland herumgesprochen. Niemand weiß jedoch daß zusätzlich der Anschluß von 15 afrikanischen Ländern an die Euro-Zone droht – mit finanziellen Folgelasten, die unüberschaubar sind.

Die Rede ist von den 15 Mitgliedern der Communauté Financière Africaine (CFA), der afrikanischen Finanzgemeinschaft. Dort ist der CFA-Franc im Umlauf. Er ist im Verhältnis 100 zu 1 an den Französischen Franc gebunden. Frankreich wechselt nach Bedarf CFA-Francs in richtige Francs um, garantiert also die Konvertibilität. Die Banque de France und das französische Schatzamt stützen das afrikanische Geld, stellen Kredite zur Verfügung und überwachen das Funktionieren dieser außerhalb Afrikas kaum bekannten Währungsunion.

Selbst in London, dem Zentrum des europäischen Devisenhandels, ist nur wenig über die CFA-Zone zu erfahren. Michael Halls, Chefredakteur des Emerging Currency Monitor, der sich auf Währungen der Dritten Welt spezialisiert, meint: "Die Franzosen sagen uns nichts. Sie behandeln das Ganze praktisch als Geheimsache. Das bißchen, was wir an Informationen über die CFA-Zone haben, bekommen wir aus Afrika." Dieselbe Reaktion kommt von Wilhelm Hankel, Professor für Währungspolitik an der Universität Frankfurt: "Der französische CFA-Raum ist das große Mysterium sowohl vor dem Euro wie erst recht mit ihm." Auskünfte über die Funktionsweise dieses französischen Staatsgeheimnisses sind nicht zu er-
halten."

Auch der Vertrag zur Europäischen Währungsunion enthält nichts zu dem Thema. Das Problem wurde von den deutschen Unterhändlern in Maastricht offenbar übersehen. In den Protokollen, die dem Vertrag angehängt wurden, werden lediglich die französischen Übersee-Départements und die überseeischen Hoheitsgebiete erwähnt.

Demnach steht jetzt schon fest, daß der Euro nicht nur in Europa, sondern auch andernorts eingeführt wird: auf den Karibikinseln Guadeloupe und Martinique, in Französisch-Guyana und auf der Insel Réunion östlich von Afrika. All dies sind französische Départements, die von Paris als Teile des Mutterlandes betrachtet werden.

Dazu kommen die sogenannten französischen Gebietskörperschaften (C.T.) Mayotte, ein afrikanischer Archipel, sowie St. Pierre und Miquelon in Nordamerika. Da auch sie den französischen Franc verwenden, ergibt sich die skurrile Konsequenz, daß der Euro sogar in einem kleinen Teil Nordamerikas – in ungemütlicher Nähe zum mächtigen Dollar – Fuß fassen wird.

Bis hierhin ist alles einfach und durchschaubar. Anders die französischen Ex-Kolonien in Afrika: Sie sind völkerrechtlich souverän, de facto aber Satelliten Frankreichs. Paris duldet, installiert oder entfernt gelegentlich die dortigen Machthaber, Paris sorgt mit Hilfe der Fremdenlegion für Ruhe und Ordnung, und Paris sieht im CFA-Franc nichts anderes als ein Instrument französischer Hegemonie in Schwarzafrika.

Der CFA-Franc hat eine lange Geschichte, die bis auf 1945 zurückgeht. Damals stand die Abkürzung noch für "Colonies Françaises d’Afrique". Inzwischen haben die Afrikaner längst mehr Mitspracherechte, aber das Prinzip ist dasselbe geblieben: Die französischen Währungsreserven bilden die eigentliche Stützung des CFA-Franc, der in West- und Zentralafrika – von Senegal bis zur Zentralafrikanischen Republik – zirkuliert.

Daß die französische Afrika-Politik insgesamt sehr viel Geld kostet, weiß man. Wie teuer aber speziell der Unterhalt der CFA-Zone und die Garantie für diese Afrika-Währung Paris zu stehen kommt, darüber schweigen sich die Verantwortlichen aus. Fest steht aber: Während die EU dabei ist, eine Währungsunion zu gründen, existiert bereits eine andere – nämlich in Afrika. Und Frankreich beabsichtigt, die eine an die andere zu koppeln.

Frankreich wird 1999 zur großen europäischen Währungshochzeit seine arme Verwandtschaft aus Afrika mitbringen. Dann gibt es drei Euro: den Europa-Euro, den Afrika-Euro und den Euro-Euro. Letzterer wird außerhalb der nationalen Finanzmärkte , wie zum Beispiel auch der Euro-Dollar oder die Euro-Mark, gehandelt.

Der CFA-Franc ist in der Regel überbewertet und mußte zuletzt im Januar 1994 von 50 auf 100 zum Französischen Franc abgewertet werden. Schon lange vorher wurde die finanzielle Last in Paris als zunehmend drückend empfunden. Sie auf alle europäischen Schultern zu verteilen, war wahrscheinlich auch ein Motiv unter anderen bei der Durchsetzung des Maastrichter Vertrages. Bereits im August 1990 schrieb die stets gut informierte Londoner International Currency Review zum CFA-Franc: "Eine Interpretation besteht natürlich darin, daß die Franzosen nicht mehr willens oder fähig sind, die Last alleine zu tragen – nämlich die zunehmend notleidenden afrikanischen Volkswirtschaften in ihrer Einflußsphäre zu unterstützen. Paris hält nach Lastenteilung Ausschau."

Schon damals, ein Jahr vor Maastricht, meinte die Londoner Publikation: "Die EG gibt bereits großzügige Hilfe an Afrika. Aber es muß sich erst noch herausstellen, ob Frankreichs europäische Partner bereit wären, ihre Großzügigkeit auf Währungsgarantien auszudehnen." Genau damit rechnet Paris jetzt. Als sich die französischsprachigen Länder Afrikas im Dezember 1996 in Burkina Faso zur Gipfelkonferenz trafen, sicherte ihnen Präsident Chirac zu, daß die Einführung des Euro zu "keiner Beeinträchtigung" für die Mitglieder der Franc-Zone führen
werde.

Damit garantierte er den versammelten Staatschefs: Sobald der Franc verschwindet, wird der Euro dessen Rolle in Afrika übernehmen. Die Europäische Währungsunion bekäme dann zusätzlich 15 indirekte Mitglieder in Afrika. Der CFA-Euro würde den CFA-Franc ersetzen.

Wer nun an die sogenannten Konvergenzkriterien denkt und sich über die Stabilität in Europa Sorgen macht, der sollte erst einmal Afrika kennenlernen. Beispiel: der CFA-Euro-Kandidat Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire). Jährliches Sozialprodukt pro Kopf 660 Dollar, 60 Prozent Analphabeten, 19 Milliarden Dollar Auslandsschulden bei einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 10 Milliarden. Europa ist hochverschuldet, Afrika ist pleite. Besonders das kleine Guinea-Bissau, das erst am 31. Juli 1997 der CFA-Zone beitrat. Dort ist die Auslandsverschuldung 27mal so hoch wie die jährlichen Exporteinnahmen – ein Horror selbst für afrikanische Verhältnisse.

Das Interessante dabei: Guinea-Bissau ist nicht französischsprachig, es gehörte früher zu Portugal. Seit Präsident Chirac im Dezember 1996 in Burkina Faso seine Euro-Garantie (mit oder ohne Wissen Bonns?) abgab, bekommt die CFA-Zone Zulauf. Nach dem ex-portugiesischen Guinea-Bissau will nun auch das andere Guinea (Hauptstadt Conakry) beitreten. Selbst Ghana, das früher britische Kolonie war, wird neuerdings als Beitrittskandidat gehandelt. Offenbar spekulieren die afrikanischen Regierungen schon jetzt auf die Vorteile, die eine Anbindung an den Euro bieten würde.

Unsere Recherchen ergaben, daß das Problem zwar in Maastricht übersehen wurde, inzwischen aber auf ministerieller Ebene zwischen Frankreich und seien Partnern diskutiert wird. Dabei verfolgt Paris eine Verschleierungstaktik und bestreitet, daß es sich beim CFA-Franc um ein bilaterales Währungsabkommen handelt. Von den anderen Regierungen wird die französische Position intern als "Unsinn" bezeichnet, jedoch von EU-Währungskommissar de Silguy, selbst Franzose, unterstützt.

Wenn sich Paris wieder einmal durchsetzt und die EU 1999 die französischen Verpflichtungen gegenüber Afrika übernimmt, dann wäre auch die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) tangiert. Nicht die EZB würde über die Währungszusammenarbeit mit Afrika entscheiden, sondern Ecofin, der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister. Ecofin würde nach Artikel 109 des Maastrichter Vertrages die EZB anweisen, den neuen CFA-Euro zu stützen. Nicht die EZB, sondern die Ecofin-Minister würden die Parität zwischen Euro und CFA-Euro festlegen – und notfalls später wieder ändern.

Dann könnten die Afrikaner ihre CFA-Euros, die sie selbst drucken, bei einer der europäischen Notenbanken präsentieren und die Umwandlung in richtige Euros verlangen. Die EZB verlöre die Kontrolle über einen Teil der Euro-Geldmenge – falls sie nicht die Aufsicht über die Geldschöpfung in West- und Zentralafrika übernimmt.

"Bedeutet dies alles, daß die Euro-Zone nach Afrika ausgedehnt wird?" fragten wir den Devisenspezialisten einer großen US-Bank in London. Antwort: "Selbstverständlich. Und das Gefährliche dabei ist, daß die Europäische Zentralbank angwiesen werden könnte, einen überbewerteten CFA-Euro zu stützen. Das ist ein enormes Risiko für eine solide europäische Geldpolitik. Stellen Sie sich vor, Frankreich hätte die Deutschen aufgefordert, afrikanische Währungen an die D-Mark zu binden und sie mit deutschen Devisenreserven zu stützen. Die Deutschen hätten eine solche Idee für verrückt gehalten. Aber genau dies steht jetzt bevor – über die Euro-Hintertür"


 
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