© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/97  28. November 1997

 
 
JF deckt schonungslos auf: Fascho-Briefmarken kursieren seit Jahren unbemerkt in Deutschland
Ein Fall für Volker Rühe
von Manuel Ochsenreiter

"Post vertreibt Briefmarkenblock mit rechtsradikal belasteten Symbolen". Eine dpa-Meldung, wie sie uns nicht alle Tage erreicht. Zahlreiche Briefeschreiber und Briefmarkensammler schreckten auf. Wen unterstützen sie da eigentlich mit ihrem Hobby? Zur Sache: Auf dem Bogen zu Heinrich Heines 200. Todestag wurden gefährliche Runen gesichtet, nämlich am oberen linken, sowie unteren rechten Rand (siehe Abbildung auf der Titelseite).

Es sind die germanische Lebensrune sowie die Todesrune zu sehen. Und Runen sind irgendwie nicht so okay, das wissen wir spätestens seitdem die Nazis und die Wiking-Jugend sie ebenfalls verwendeten. Die Deutsche Post AG befindet sich folglich in zweifelhafter Gesellschaft. Denn bereits 1943 gab es eine Gedenkbriefmarke mit den beiden Runen. Gedacht wurde des Todestages des stellvertretenden Reichsprotektors von Böhmen-Mähren, Reinhard Heydrich (Achtung, Namensähnlichkeit!). Postminister Wolfgang Bötsch (CSU) hat "selbstverständlich" sensibel reagiert und den Verkauf der bedenklichen Postwertzeichen umgehend gestoppt.

Doch die JF recherchierte: Alles nur Täuschung! In der Bild am Sonntag wird noch Tage später für das "Numisblatt der Post" in halbseitigen Anzeigen geworben (siehe Ausriß). "Zwei nationale Symbole in einem", lautet die instinktlose Verkaufsparole der Deutschen Post AG. Können damit nicht schließlich nur die beiden Runen gemeint sein, fragte sich die ebenso erschrockene wie wachsame "Zeitgeist & Lebensart"-Redaktion?

Bei uns liefen derweil die Drähte heiß, es wurde recherchiert, nachgeschlagen und telefoniert, daß es qualmte und nach tagelanger harter Arbeit mußten wir feststellen: Die Heine-Marke stellt nur die Spitze des Eisbergs dar. Problematische, geschickt chiffrierte Marken gibt es, seit die Bundespost Marken verbreitet. Das Postministerium entpuppt sich so als subtiles Propagandaministerium unseligen Angedenkens.

Harmlos und unschuldig kommt sie daher, die "500 Jahre Edelsteinregion Idar-Oberstein"-Briefmarke, sind doch zahlreiche geheimnisvolle Symbole in ihr versteckt. Verbindet man beispielsweise das Zentrum mit der linken oberen Ecke und bildet von dort aus eine Tangente zum Thaleskreis, worauf wir ein stumpfwinkliges Dreieck errichten, das wir an der Grundlininie spiegeln und um 90° nach links drehen, dann erhalten wir eine leicht variierte Form einer spiegelverkehrten Swastika (Hakenkreuz halblinksdrehend). Aber nicht nur das! Auch jede Menge anderer Zeichen sind darin versteckt. Mit ein bißchen Phantasie erkennen wir das japanische Symbol des Kamikaze-Flieger-Fußballvereins, sowie das mittelamerikanische Maya-Schriftzeichen für "Damentoilette" (dezentes Ablenkungsmanöver!).

Eine der heimtückischsten Täuschungen der Deutschen Post! Was dem braven, anständigen Bürger hier als Luise Henriette von Oranien verkauft werden soll, ist in Wirklichkeit eine Zeichnung eines zu trauriger Berühmtheit gekommenen Braunauer Obdachlosen. Dort brachte er sein "Betthaserl" Eva Braun zu Papier – nach einem Besuch beim späteren SA-Chef Ernst Röhm, der noch vor seinem Homosexuellen-Outing als bekannter brauner Szenefriseur jobbte. Henriette von Oranien würde sich im Grabe umdrehen, wüßte sie von diesem gigantischen Betrug.

Und dann die Briefmarke mit dem Kußmund: Ein Meisterstück der Irreführung! Denkt man doch als unbescholtener Bürger zuerst an die Lippen von Marilyn Monroe, Dolly Buster, Sarah Young oder manchmal sogar an den von Regine Hildebrandt. In Wirklichkeit gehören nach JF-Recherchen die Lippen eindeutig der einstigen tschechischen Filmdiva Lida Baarova. Sie war als 20jährige die heimliche Geliebte des als "Bock von Babelsberg" bekannten Reichspropagandaministers und mehrfachen Familienvaters Dr. Joseph Goebbels, der ungern was "anbrennen" ließ. Das Gspusi-Mund eines untreuen Supernazis als Dokumenta-Kassel-Briefmarke – geht es überhaupt noch schlimmer?

Doch das ist längst nicht alles… Wann kommt die Marke des Tierschutzvereins mit Hitlers Schäferhündin? ("Blondie, hörr auf zu bällän!") Wann feiert die Deutsche Post AG mit Robert Leys Konterfei "1000 Jahre deutsche Spirituosen"? Keine Frage, das Postministerium sollte einfach mal tüchtig durchgelüftet werden. Im Zuge von Kohls Kabinettsumbildung könnte ein Mann das Ruder in die Hand nehmen, der sich vor kurzer Zeit im Kampf gegen den Rechtsextremismus bewährt hat: Volker Rühe! Der einstige Elvis-Imitator und jetzige erste Soldat der Republik hat die Power, den braunen Sumpf in der Post trockenzulegen.

Wer weiß, vielleicht kursieren schon die ersten Videos mit "Sieg Heil!" grölenden Briefträgern oder hitlergrüßenden Zustellern – vielleicht liegt es ja sogar an der ganzen Branche? Denn, Hand aufs Herz, müssen die Fahrzeuge von "UPS" unbedingt so bedrohlich klobig und braun sein?

Die Post hat immerhin eine Service-Telefonnummer für besorgte und verantwortungsbewußte Bürger eingerichtet, deren Nummer auch wir gern veröffentlichen: Marken-Hotline: 0228/140


 
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