© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/97  07. November 1997

 
 
Das Ende des Jägers: Der allseits bekannte TV-Moderator Eduard Zimmermann hört auf
Ganoven-Ede geht in Rente
von Frank Liebermann

Gesucht wird Milos Kuney. Der in Deutschland lebende Kroate wird beschuldigt, mehrere schwere Einbrüche begangen zu haben. Der 32jährige gilt als äußerst gewalttätig und ist bewaffnet. Die zuständige Kriminalpolizei in Berlin nimmt Hinweise entgegen.

Freitag Abend, irgendwo in Deutschland. Es ist 20.15 Uhr, der Flimmerkasten im einstigen Herrgottswinkel des Wohnzimmers wird angeschmissen. Ganoven-Ede schlägt zu. Die Verbrecherhatz ist wieder eröffnet…

Doch nun geht eine Ära zu Ende. Eduard Zimmermann war 30 Jahre und 300 Sendungen auf der Jagd nach Verbrechern. "Aktenzeichen XY", der Urschleim des Reality-TV muß Abschied nehmen. Gesegnet mit der Ausstrahlung eines Hans Rosenthal und dem Intellekt eines Robert Lemke lockte er bei jeder Sendung bis zu zehn Millionen Zuschauer in Deutschland, zwei in der Schweiz und vier in Österreich vor ihre Fernseher. Etliche private Sender bemühten sich um den Gangsterjäger. Ohne Erfolg. Nur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sah Zimmermann die notwendige Seriosität gewahrt.

Eduard Zimmermann ist ein echter Konservativer. In den 30 Jahren seines TV-Lebens änderte er weder die Dekoration noch das Konzept der Sendung. Er hielt am Bewährten fest. Immer wieder mußten sich die XY-Macher den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit gefallen lassen. Den läßt Eduard Zimmermann nicht gelten. Die in "Aktenzeichen XY" gezeigten Tatverdächtigen entsprechen der Häufigkeit in den Kriminalstatistiken. Und das ist nicht wenig. Ede beugt sich nicht der selbstverordneten political correctness seiner Journalistenkollegen. Im Gegensatz zu den Tageszeitungen ist er gerne bereit die Nationalität der Täter zu nennen, wenn es hilft, daß diese besser identifiziert werden können.

Die Sendung lebt von ihrer Realitätsnähe. Serien und Krimis veralten oder werden langweilig. Anders bei "Aktenzeichen XY". Das verstümmelte Kind im Wald, der überfallene Rentner oder ein Bankeinbruch lassen den Zuschauer immer wieder erschaudern. Wenn die junge Petra durch den Wald von der Schule nach Hause schlendert oder die alte Dame den freundlichen Herrn an der Tür hereinläßt, dann weiß der Zuschauer bereits, daß sie nichts Gutes erwartet. Ganoven-Ede lebt vom Voyeurismus. Es ist einfach schön, mit einem Bier vor der Glotze zu sitzen und zu sehen, wie den bösen Buben und Mädchen Fallstricke gelegt werden.

Und das Beste ist: Es gibt sogar Geld! Wer wichtige Hinweise gibt, kann mit einer fetten Belohnung rechnen, die die Gewinne in anderen Sendungen locker übersteigen. Bösartige Menschen können aus Spaß ihre Nachbarn denunzieren. Aber das komme ja gottseidank nicht so oft vor, läßt Zimmermann verlautbaren. Die Studioredaktion ist im schlichten beige und braun gehalten, so daß der Zuschauer durch keine Schnörkel oder anderenSchnickschnack abgelenkt wird. Alles ist anders bei den an-deren Reality-Shows. Nachdem die Sendung einige Minuten läuft, kommen die Konferenzschaltungen nach Wien und Zürich. Hektik macht sich breit. In österreichischem und Schweizer Dialekt wird gesucht und gefahndet, während die Telefone im Hintergrund klingeln. Das ist der Einsatz für Peter Nidetzky und Konrad Toens. – Die Täter sind international tätig. Der deutschsprachige Raum ist für Verbrecher ein wunderbares Betätigungsfeld. Wer bei Zimmermann gesucht wird, muß sich schon etwas erlaubt haben. Unter Mord, Raub oder Vergewaltigung läuft da gar nichts. Ein internationaler Haftebefehl ist Bedingung, um gesendet zu werden. Gesucht werden immer konkrete Zeugen, also XY-Personen. Und diese melden sich. Die Sendung hat nicht nur eine hohe Einschaltquote. Über 40 Prozent der gezeigten Fälle werden gelöst. Schlecht für diejenigen, die einen Auftritt bei Ede bekommen.

Selbstverständlich hat Zimmermann nicht nur Freunde. Unzählige Verbrecher sitzen dank seiner Sendung im Knast. Aber auch Ulrike Meinhof war nicht so gut auf ihn zu sprechen. In der Zeitschrift konkret gab sie ihrem Haß freien Lauf. Bei "Aktenzeichen XY" würden die kleinen Gesetzesbrecher zu Sündenböcken gestempelt.

Dafür büßte Zimmermann. In der Zeit des RAF-Terrors standen er und seine Familie unter besonderem Polizeischutz. Inzwischen ist jede Kritik verstummt. Der Journalist kann wieder in Ruhe schlafen.

Eduard Zimmermann sieht mit seiner Hornbrille und den braunen Anzügen aus, wie er heißt. Selbst nennt er seinen Moderationsstil nicht angestaubt oder antiquiert, sondern seriös. Nun begibt sich der Moderator erstmal für einige Wochen in Urlaub, auf den er so lange verzichten mußte.


 
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