© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/97  31. Oktober 1997

 
 
Scharfe Debatten
von Dieter Stein

Es ist eine harte Lageanalyse, die Günter Maschke in seinem Interview mit der jungen freiheit zu der politischen Szene vornimmt, die er die "Rechte" nennt. Er äußert sarkastisch, die Rechte sei "ein rein mikroskopisches" Phänomen, sprich: sie sei personell und intellektuell kaum noch wahrnehmbar. Er spricht aus, daß dies nicht nur an der Lage der öffentlichen Meinung, den Machtverhältnissen in Verlagen und Redaktionsstuben, den Dozentenposten an Universitäten und Lehreinrichtungen liegt, sondern auch an denen, die diesen politischen Flügel in den letzten Jahrzehnten in Deutschland prägten und repräsentierten.

Maschke versteht die "Rechte" zuallerletzt als ein parlamentarisches, parteipolitisches Phänomen. In allererster Linie ist "rechts" in seinem Sinne eine Geistestradition und Weltanschauung, die gegenrevolutionär ist, die 1789 nicht als humanen Quantensprung, sondern als Startschuß zur Entfesselung totalitärer Gesellschaftsexperimente ansieht. Maschke ist darüber hinaus einer der schärfsten und intelligentesten Kritiker der geistigen Abhängigkeit der politischen Klasse Deutschlands von den USA. Es ist bedauerlich, daß sich irrationaler Antiamerikanismus von links bis rechts, der aus dem Bauch kommt, leichter animieren läßt, als eine solche kluge politische Absage an die imperialen Machtansprüche Washingtons und die Formulierung einer eigenständigen deutschen Position in der europäischen Politik.

Maschke bricht kalkuliert bundesdeutsche Tabus. Im JF-Interview vor einigen Jahren begründete er seine Ablehnung des Grundgesetzes damit, es sei ein "Oktroy der Sieger", also unter Zwang entstanden. Er weiß, daß er damit reflexartig die besonders engagierten Verfassungsschützer der Feuilletons alarmiert. Er legt damit aber den Finger in die Wunde einer neudeutschen Lebenslüge – und eines demokratischen Defizits: Nicht ein einziges Mal wurde die Zustimmung des Volkes zur Verfassung durch eine Abstimmung eingeholt. Die Zustimmung zur Verfassung und ihres konstitutiven Kerns (ein Volk hat sich eine Verfassung gegeben) ist erfreulich groß – nichtsdestotrotz wird ununterbrochen an diesem Fundament des Gemeinwesens fröhlich herumhantiert. Die Grundwerte werden aufgebläht und am Staatsangehörigkeitsrecht wird solange herumgeschraubt, bis der Souverän der Verfassung – das Volk – sich darin nicht mehr wiederfindet, das deutsche Volk durch eine multikulturelle Bevölkerung ausgetauscht ist.

Maschke fordert zu einer schärferen und fundierteren intellektuellen Debatte in Deutschland auf. Einer solchen Debatte werden aber zur Zeit möglicherweise weder die Rechten noch die Linken gewachsen sein.


 
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