© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/97  24. Oktober 1997

 
 
Rüstung: Deutschland ist Schlußlicht unter den Hauptexporteuren
Handel mit dem Tod
von Gerhard Quast

Wir Deutschen könnten eigentlich beruhigt sein. Deutschland ist Vorreiter in Sachen Rüstungsexport – oder besser gesagt: Exportverzicht – und kommt damit der von Deutschland eingeforderten "Friedenspflicht" nach. Es gibt zwar immer noch einige Länder – wie beispielsweise das Nato-Land Türkei, das bis heute in seinem Krieg gegen die Kurden mit deutscher Technologie unterstützt wird –, aber mit Blick auf die weltweiten Exportzahlen kann man guten Gewissens sagen: Die deutschen haben ihre Lektion gelernt.

Doch lassen wir die Zahlen sprechen: Im vergangenen Jahr hat unsere Rüstungsindustrie beim Geschäft mit dem Krieg "lediglich" 657 Millionen Dollar umgesetzt. Das mag sich zwar für den Laien immer noch nach immensem Kriegsgerät anhören, der Vergleich zum Vorjahr relativiert die Zahlen jedoch erheblich. Denn die Waffenexporte im Jahre 1995 hatten ein Handelsvolumen von mehr als 1,38 Milliarden Dollar und der Anteil am weltweiten Handel mit Kriegsgerät sank demnach um mehr als die Hälfte von 3,8 Prozent auf jetzt 1,6 Prozent.

Nun könnte man geneigt sein zu hoffen, daß sich nach dem Ende der Blockkonfrontation nicht nur in Europa, sondern weltweit die Situation entspannt hat – schließlich wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Konfliktherde beseitigt –, doch die Tatsache, daß Deutschland vergleichsweise wenig Waffengeschäfte tätigt, liegt lediglich daran, daß wir uns moralischen Argumentationen besonders aufgeschlossen gezeigt und uns zunehmend aus dem Handel zurückgezogen haben, während andere Staaten nicht nur unsere Marktanteile übernehmen, sondern sogar neue Märkte erschließen, wie das angesehene Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in seinem Jahrbuch "Das militärische Gleichgewicht 1997/98" eindrucksvoll belegt: Insgesamt wurde im vergangenen Jahr mit Waffen im Wert von knapp 40 Milliarden Dollar auf den weltweiten Waffenmärkten gehandelt. Der internationale Waffenhandel verzeichnet demnach eine Zuwachsrate von acht Prozent. Den größten Anteil am Geschäft mit dem Tod – knapp 80 Prozent – teilen sich die drei Nato-Staaten USA (42,6 Prozent), Großbritannien (22,1 Prozent) und Frankreich (14,1 Prozent) – und zwar mit steigender Tendenz, denn nicht nur Deutschland zieht sich aus dem Waffenhandel zurück, auch Rußland verzeichnete mit einem Marktanteil von 8,6 Prozent (gegenüber 35 Prozent 1995) erhebliche Einbußen.

Unsere westlichen Bündnispartner reiben sich voll Freude die Hände

Während viele Deutschen diesen Rückgang mit Genugtuung vernehmen und mit der Hoffnung auf mehr Frieden in der Welt verbinden, reiben sich unsere westlichen Bündnispartner die Hände. Mit moralischen Argumenten haben sie uns seit Jahren das Geschäft vermiest und rüsten heute selbst potentielle Kriegsgegner Israels auf: Mit Abstand Spitzenreiter bei den Waffenimporteuren ist mit fast neun Milliarden Dollar das streng islamische Saudi-Arabien. Aber auch der Iran und der Irak bedienen sich der weltweit existierenden Umschlagplätze und investierten laut IISS im vergangenen Jahr mehrere Milliarden Dollar in Rüstungsgüter.

Doch während Deutschland sich zunehmend ausklinkt, gibt es weltweit einen regelrechten Boom nach Waffen aller Art. Die Geschäfte laufen weiterhin wie geschmiert, nicht nur mit Staaten der Krisenregionen, sondern auch mit Ländern, die sich "präventiv" potentieller Gegner, deren es – so scheinen die Zahlen zu belegen – immer genug gibt, glauben erwehren zu müssen. Trotzdem sehen sich die Deutschen auf der Frankfurter Buchmesse massiver Vorwürfe der Schriftsteller Günter Grass und Yasar Kemal ausgesetzt und müssen sich vorwerfen lassen, weiterhin mit dem Nato-Staat Türkei militärisch zu kooperieren.

Daß just in diesem Moment das norwegische Friedensnobelpreis-Komitee eine Entscheidung für die "Internationale Kampagne für ein Verbot von Landminen" ausspricht, könnte für die Deutschen zwar eine Genugtuung sein, schließlich unterstützen sie ein Totalverbot für Produktion, Lagerung, Export und Verwendung der Anti-Personen-Minen, doch mehr als eine schöne Geste wird von der Osloer Entscheidung nicht bleiben: Zwar werden Anfang Dezember in Ottawa an die hundert Länder den Anti-Minen-Vertrag unterzeichenen, doch das Abkommen wird ohne größere Wirkung bleiben, die USA, Großbritannien und Frankreich sehen für eine Einstellung der Produktion keinen Anlaß. Auch wenn jährlich 26.000 Menschen von den Minen zerfetzt werden, eine moralische Verpflichtung kann für die Rüstungsexportländer offensichtlich daraus nicht erwachsen. Geschäft ist eben Geschäft.

Mehr dazu auf den Seiten 6 und 7


 
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