© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/97  17. Oktober 1997

 
 
Südtirol: "Die Dornenkrone" gibt Anlaß zu hitzigen Debatten
Ein stachliges Symbol
von Jakob Kaufmann

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ie Abgeordneten des Tiroler Landtags haben in der vergangenen Woche heftig über den endgültigen Ausstellungsort der Tiroler Dornenkrone debattiert. Der Leutascher Schmied Arnold Mair fertigte das Kunstwerk 1984 aus 840 Kilogramm Metall für den damaligen Landesfestumzug der Schützen in Innsbruck. Die Schützen aus Nord- und Südtirol wollten 1984, 175 Jahre nach Andreas Hofers Kampf am Berg Isel gegen die Truppen Napoleons im Jahr 1809, mit der Dornenkrone an die Trennung ihres Landes erinnern. 35.000 Menschen marschierten bei diesem Festumzug in der Tiroler Landeshauptstadt mit. An den Straßen der Stadt waren Transparente mit der Aufschrift "Wie Tiroler fordern Landeseinheit" zu sehen; an der Hofburg prangte der Spruch "Los von Rom". Zu dieser Demonstration befragt, meinte der damalige Landeshauptmann von Tirol, Eduard Wallnöfer, in einem ORF-Interview, die Weltöffentlichkeit könne sich so über das Unrecht der Brennergrenze Klarheit verschaffen.

So eindeutig wie 1984 wird dieses Symbol nun aber nicht mehr verstanden. Politiker aus beiden Teilen Tirols sind sich nicht über einen angemessenen Ausstellungsort einig, weil der Dornenkrone an jedem Platz eine andere Bedeutung zukommt. Der Innsbrucker Bürgermeister Herwig Van Staa schlug vor, das Tiroler Symbol in den Volksgarten gegenüber der Innsbrucker Hofburg zu bringen. Damit wollte er wohl an den Schützenumzug von 1984 erinnern und seinem verstorbenen Schwiegervater, Eduard Wallnöfer, eine Ehre erweisen. Linke Kräfte, Gewerkschaften, Künstler protestierten sofort gegen Van Staas Idee, die in der Krone ein "Sinnbild des Tiroler Revanchismus" sehen. Kirchliche Kreise und kürzlich auch der SVP-Europaabgeordnete Michl Ebner, warnten davor, ein religiöses Symbol wie die Dornenkrone für politische Zwecke zu gebrauchen. Unter den Verfechtern des Autonomiepaketes von 1992 meinen viele, dieses Symbol der Trennung sei nicht mehr zeitgemäß. Immer wieder wurde auch gefordert, die Krone einzuschmelzen, oft unter der Bedingung, gleichzeitig das faschistische Siegesdenkmal in Bozen zu schleifen. Zumindest sollte, so schlugen einige vor, seine schmähende lateinische Aufschrift heruntergenommen werden, die besagt, die Italiener hätten den Südtirolern die Gesetze, die Sprache und die Kunst gebracht. Diejenigen, die die Zerstörung beider Symbole fordern, sehen in der Dornenkrone vor allem ein Zeichen, das an die Leiden der Südtiroler im Faschismus erinnert. Für sie ist die Dornenkrone zuallererst ein historisches Symbol.

Auch die Schützen haben noch beim Standort mitzureden: Der Gesamttiroler Schützenbund ist Eigentümer der Dornenkrone, seit ihm die Südtiroler Schützen das Kunstwerk zur Ausstellung überlassen haben. Der Landeskommandant der Südtiroler Schützen, Richard Piock, schlug vor, die Dornenkrone auf dem Berg Isel, an dem einst Andreas Hofer gegen die napoleonischen Truppen kämpfte, aufzustellen. Die Bergisel-Stiftung, die über Ausstellungen auf dem Berg zu entscheiden hat, lehnte dies ab.

Als Kompromiß soll nun das Schmiedewerk in einigen Metern Entfernung zum Grab des Begründers der Einheit Tirols, des Grafen Meinhard, Prunkstück einer Dauerausstellung zur Landesgeschichte werden. Die Entscheidung steht aber noch nicht fest, denn zwei Vorschläge müssen noch geprüft werden: Anfang Oktober wurde bekannt, daß die ehemaligen Eigentümer, die sogenannten Südtiroler "Bumser", in der Schenkungsurkunde Bedingungen stellten. Die Männer, die in den sechziger Jahren Bombenanschläge verübt haben, verlangten darin, die Dornenkrone solle in Innsbruck aufgestellt werden.

Die Südtiroler Schützen beschlossen dagegen vor drei Jahren, die Dornenkrone am Brenner auf einem Podest zu plazieren. Auf einer Tafel sollte die Bedeutung und die Geschichte dieses Symbols erläutert werden. Von Fahnen umrahmt und nach Einbruch der Dunkelheit beleuchtet, sollte die Dornenkrone für jeden, der die Grenze am Brenner überquert, selbst nachts als Zeichen der Trennung des Landes erkennbar sein. Damit wäre dem riesigen Metallgestell eine politische Dimension zugekommen: Es hätte signalisiert, daß die Trennung Tirols immer noch schmerzlich ist. Zwar mag sich Landeskommandant Piock an diesen Beschluß nicht mehr erinnern, aber als Vorschlag ist er noch nicht vom Tisch.


 
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