© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/97  10. Oktober 1997

 
 
Streit trotz Unterschrift
von Johanna Christina Grund

Die Unterzeichnung des "Amsterdamer Vertrages" der EU am 2. Oktober durch die 15 Regierungschefs in Luxemburg war ein formaler Akt, zunächst nicht mehr. Er tritt damit noch keinesfalls in Kraft. Das Ratifikationsverfahren aber beginnt, und auf dem Weg dorthin werden diesem "tückischen Derivat" (Siehe junge freiheit 27/97, 27.6.97) noch zahlreiche Widerstände erwachsen. So zerstritten wie die Versammlung der Schöpfer dieses Maastricht–Ablegers nämlich über Tempo und Umfang der einzelstaatlichen Selbstentleibung war, so meilenweit entfernt sind die Vorstellungen der Unterzeichner geblieben. Zudem gibt es Mitgliedsländer, die über die Notwendigkeit einer erneuten Volksabstimmung räsonnieren, weil sie in den Amsterdamer Verpflichtungen juristisch eine "Gesamtänderung der Verfasser" sehen.

Auf jeden Fall in Dänemark ist das Referendum völlig unumstritten, weil Teile von "Amsterdam" unter den Paragraphen 20 des dänischen Grundgesetzes fallen. Demzufolge muß jede Übertragung nationaler Souveränitätsrechte auf eine internationale Organisation dem Volk zu Abstimmung vorgelegt werden. Wer sich noch erinnern kann, welchen Schrecken das "Nein" einer knappen Dänen–Mehrheit am 2. Juni 1992 zu "Maastricht" unter den Brüsseler Unions-Verfechtern auslöste, mag ihr Magengrimmen verstehen. Ein neues dänisches "Nein" torpediert entweder "Amsterdam" oder befreit das Land von der EU. Die meisten anderen Signatare werden wohl versuchen, den neuen Vertrag ohne Volksbefragung durch die Parlamente zu treiben, weil sie dort eh die Mehrheit haben. So ist es nach derzeitigem Erkenntnisstand auch in Österreich bestimmt.

Abgesehen vom Dauer-Clinch um die Währungen tobt der Streit um die Folgen von "Amsterdam" hartnäckig an mehreren Fronten. Thema Osterweiterung: Die EVP-Fraktion und der Auswärtige Ausschuß des Europaparlaments wollen eine große Osterweiterung in Form eines Wettbewerbs der Kandidaten. Die einschneidenden Pläne der "Agenda 2000" mit Förder– und Beihilfeverlusten gehen ihnen nicht weit genug. Gleichzeitig warnt Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (VP) in der Presse vom 25. September vor einer unvorsichtig eiligen Osterweiterung der EU wegen der zusätzlichen Kosten für Österreich, wegen neuer unerwünschter Konkurrenz der Bauern und wegen des Druckes von Millionen billiger Arbeitskräfte auf den Markt. Thema Institutionen: Frankreich will überhaupt nur neue Länder aufnehmen, wenn das Mitentscheidungsrecht der Kleinen im Rat neu geregelt, d. h. beschränkt und das Veto abgeschaffen wird. Thema Arbeitslosigkeit und soziales Elend: Der Sondergipfel am 22. November in Echternach soll Abhilfe schaffen.


 
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