© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/97  10. Oktober 1997

 
 
EU-Zahlungen IV: Kosten-Nutzen-Mißverhältnis
Zuviel und zuwenig
von Thomas Laake

Deutschland ist der mit Abstand größte Nettozahler der Europäischen Union (EU). Zahlten wir 1989 noch 12,8 Milliarden DM netto in die Gemeinschaftskasse ein, waren es 1994 schon 27,6 Milliarden. Zum Vergleich: Der Nettobeitrag Frankreichs betrug im gleichen Jahr umgerechnet nur rund 1,6 Milliarden DM. Großbritannien führte in 1994 netto rund 4,2 Milliarden DM an Brüssel ab. Deutschland zahlt damit netto mehr als das Viereinhalbfache dessen an die EU, was Großbritannien und Frankreich zusammengenommen abführen.

Fast noch kurioser erscheint die Tatsache, daß ein so wohlhabendes Land wie Luxemburg nicht zu den Nettozahlern der EU gehört, sondern zu den Empfängern: rund 1,6 Milliarden DM erhielt es unter dem Strich im Jahre 1994 aus Brüssel, obwohl es hinsichtlich der Pro-Kopf-Einkommen innerhalb der EU an erster Stelle liegt. Und die deutschen Nettozahlungen sind in den letzten Jahren noch weiter gestiegen. Allein in diesem Jahr zahlt Deutschland fast 30 Milliarden DM netto in die EU-Kasse ein.

Daß man die Problematik der überhöhten deutschen EU-Zahlungen innerhalb der Politik bereits seit langem kennt, beweist ein interner Bericht der Arbeitsgruppe der EU-Referenten der Länderfinanzressorts an die Finanzministerkonferenz vom 28. September 1995. Dort heißt es: "Die Länder sehen mit wachsender Sorge, daß die Nettobelastung der Bundesrepublik Deutschland mit zunehmender Tendenz das dem relativen Wohlstand adäquate Maß bei weitem übersteigt. (…) Deutschland ist der einzige Mitgliedsstaat, der sowohl zuviel zahlt als auch zuwenig erhält. (…) Deutschland ist nahezu ausschließlich (ca. 97%) mit allen Beträgen belastet, die die anderen Mitgliedstaaten zuviel erhalten oder zuwenig leisten. (…) Per saldo ist Deutschland nach diesen Grundsätzen in den Jahren 1991 bis 94 um 27,3 Mrd. ECU, jahresdurchschnittlich also um 6,8 Mrd. ECU, das sind zur Zeit rund 13 Mrd. Mark, benachteiligt worden."

Die meisten deutschen Europapolitiker behaupten, ein großer Teil des Geldes fließe in Form von Aufträgen wieder nach Deutschland zurück. Doch da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Im Klartext: Aufträge für die deutsche Wirtschaft werden durch Zahlungen an die EU indirekt subventioniert. Eine solche Argumentation ist schon deshalb falsch, weil die EU-Partner Aufträge an deutsche Firmen nicht aufgrund der Tatsache vergeben, daß Deutschland viel in die EU-Kasse einzahlt, sondern wegen der Qualität seiner Produkte.

Mit dem Versuch, die deutschen Rekordbeiträge an die EU durch rückfließende Aufträge zu rechtfertigen, basteln die Eurokraten lediglich an dem Mythos, Deutschland würde als "Exportnation" stärker vom EU-Binnenmarkt profitieren als andere Länder. Wer den Export Deutschlands als Rechtfertigung für fast 30 Milliarden DM Nettoeinzahlung nehmen möchte, sollte wissen, daß Deutschland 1993 rund 50 Prozent seiner Ausfuhren in die Europäische Union lieferte, Frankreich hingegen 60 Prozent, die Benelux-Länder 73 Prozent und die Niederlande sogar 74 Prozent. Sämtliche EU-Länder profitieren in gewisser Weise von der wirtschaftlichen Integration, einige sogar stärker als Deutschland.


 
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