© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/97  10. Oktober 1997

 
 
Schuldenkriterium geplatzt
von Bernd-Thomas Ramb

Die Teilnahmekriterien an der Maastricht-Währung Euro legen bezüglich der Schuldenentwicklung der potentiellen Mitgliedsstaaten zwei Größen vor. Die Neuverschuldung darf nicht höher als 3 Prozent und die Gesamtverschuldung nicht mehr als 60 Prozent betragen, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Staaten, die – wie auch Deutschland – die 60-Prozent-Marke bereits überschritten haben, dürfen sich zumindest nicht von ihr fort nach oben bewegen. Das heißt nach Adam Riese, die Staatsschulden dürfen nicht stärker wachsen als das Bruttoinlandsprodukt.

In Deutschland geht das Staatsschuldenmachen munter voran. Im ersten Halbjahr 1997 sind die Ausgaben gegenüber dem ersten Halbjahr 1996 um 1,9 Prozent gestiegen, doppelt so hoch wie die Einnahmen. Deren Anstieg ist dabei nur möglich geworden, weil die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherungen kräftig erhöht wurden. Sie brachten 3,6 Prozent mehr in die öffentlichen Kassen als im Vergleichszeitraum zuvor. Dagegen sanken die Einnahmen durch Steuern und steuerähnliche Abgaben. Per Saldo konnte deshalb zwar der Anstieg des Gesamtdefizits etwas abgebremst werden, eine Haushaltsdeckungslücke besteht jedoch nach wie vor. Die öffentlichen Schuldenberge wachsen somit weiter in den Himmel, im ersten Halbjahr 1977 um genau 7,7 Prozent. Im gleichen Zeitraum betrug der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts gerade einmal 2,8 Prozent – gemessen in den aktuellen Preisen, also einschließlich der inflationären Aufblähung (real wuchs das Bruttoinlandsprodukt nur um 2 Prozent, statt der von der Bundesregierung erhofften 2,5). Im ersten Halbjahr 1997 hat Deutschland die beiden Schuldenkriterien der Maastricht-Währung somit nicht nur knapp, sondern mit einer Deutlichkeit verfehlt, die selbst ein Euro-verblendeter Bundeskanzler nicht übersehen kann. Auch mit buchhalterischen Verrenkungen dürfte dieser Tatbestand in der zweiten Hälfte des Referenzjahres 1997 nicht mehr korrigierbar sein. Der Schuldenberg wird also über der Maastricht-Vorgabe und damit über der vom Bundesverfassungsgericht zwingend vorgegebenen Grenze liegen. Mal seh’n, wem das egal ist.


 
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