© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/97  10. Oktober 1997

 
 
Preisverleihung: Enteignungsgegner verliehen "Bleiernen Hemmschuh" an Minister Bohl
"Watergate ist ein Kleiner Fisch"
von Michael Oelmann

Ihren Feldzug gegen den Umgang der Bundesregierung mit den kommunistischen Enteignungen 1945–49 haben Enteignungsgegner um einen medienwirksam inszenierten Preis erweitert. Erstmals wurde jetzt der "Bleierne Hemmschuh" verliehen. Mit immerhin zehntausend Mark dotiert (zweckgebundene Spende) soll die Auszeichnung, die keiner haben will, Aufmerksamkeit schaffen für einen "Skandal, gegen den Watergate ein kleiner Fisch ist" – so Staatssekretär Gilles, der den Preis stellvertretend in Empfang nahm.

Zweifelhaft glücklich schätzen darf sich Kanzleramtsminister Friedrich Bohl, dem der Preis in diesem Jahr zugedacht wurde. In ihm sehen die Initiatoren einen herausragenden Vertreter jener politisch Verantwortlichen in der Bundesregierung, die nicht nur die kommunistischen Enteignungen in Mitteldeutschland nachträglich sanktioniert hätten, sondern dabei auch nicht vor der Notlüge, die Russen hätten die Enteignungen als nicht verhandelbaren Bestandteil der Wiedervereinigungsverträge erzwungen, zurückgeschreckt seien. Was Wunder, daß der erste Preisträger nicht persönlich anwesend war.

Harte Töne hätte Bohl zu hören bekommen. In der Laudatio pries einer die Mitinitiatoren, der Hamburger Heiko Peters, Friedrich Bohl als einen, "der sich in einer Affäre besonders profiliert hat, in der staatliche Arroganz, Rechtsbeugung, wirtschaftliches Versagen und Betrug am Wähler sich besonders deutlich herauskristallisieren".

Das Unrecht der kommunistischen Enteignungen, von denen rund 40.000 Familien betroffen waren und die mit Vertreibung, Ermordung und Plünderungen verbunden waren, habe Bohl nicht davon abgehalten, mit anderen dieses traurige Erbgut für die Finanzierung der Kosten der Einheit heranzuziehen.

Um den Deal zu decken, trat die Bundesregierung am 2. September 1994 mit einer "Chronologie zur Frage der Enteignungen von 1945 bis 1949" an die Öffentlichkeit, in der die Beibehaltung der Eigentumslage als unumstößlicher Bestandteil der Vereinbarungen mit der Sowjetunion bei den 2+4-Verhandlungen dargestellt wird. Selbst aber, nachdem diese Behauptung von allen führenden Teilnehmern der damaligen Verhandlungen – von Gorbatschow über Bush, von Schewardnadse bis zu Genscher – widerlegt worden sei, habe Bohl die fälschliche "Chronologie" vor dem Parlament vertreten. Watergate läßt grüßen.

Gehemmt – mit bleiernen Schuhen – sehen die Enteignungsgegner vor allem die Entwicklung in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung, zu der die Einbehaltung der Grundstücke einen großen Beitrag geleistet hätte.

Wäre das, was kurz nach der Wende im Staatsbesitz noch verfügbar gewesen sei, an die rechtmäßigen Eigentümer erstattet worden, hätte sich eine Woge von Privatinitiativen über die Ex-DDR ergossen. Statt Milliarden-Steuer-Zuschüssen, die in dunklen Kanälen versickert seien, hätte der Staat sein Geld auf ehrliche Weise durch Steuern erhalten können, wären Hunderttausende von Arbeitsplätzen entstanden.


 
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