© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/97  10. Oktober 1997

 
 
Briefbomben: Der mutmaßliche Täter wurde überraschend gefaßt
Ein einsamer Mensch
von Andreas Mölzer

Das Ende einer Spur haben sie nun jedenfalls, die Bombenfahnder der österreichischen Staatspolizei. Und mit Sicherheit einen Täter. Ob er nun ein Einzelgänger ist oder doch Teil einer, wenn auch kleinen, Organisation, läßt sich noch nicht sagen. Der Weststeirer Franz Fuchs, verbitterter Einzelgänger, hochbegabt angeblich, aber offenbar ein schwerer Psychopath, liegt nunmehr mit zerfetzten Händen unter Polizeibewachung im Krankenhaus und wird wohl über kurz oder lang froh sein, alles "ausspucken" zu können, was er in Jahren seines einsamen oder doch verschworenen Bombenterrors getan und gedacht hat. Einig sind sich Beobachter und Polizisten darin, daß hier die Informationen kommen werden, und womöglich weiß die Polizei ja schon mehr, als sie der Öffentlichkeit sagt.

Enttäuschend mag der Durchbruch von "Kommissar Zufall" gegenüber Franz Fuchs für rechte wie linke Verschwörungstheoretiker sein. Es gibt keinerlei wirkliche Anzeichen, daß eben dieser Franz Fuchs, sei er nun das Bomben-Hirn, der Bomben-Konstrukteur oder bloß Bote, wie er anfangs behauptete, irgendeinen Bezug zu Organisationen des rechten politischen Bereiches hätte. Er ist kein Bezieher irgendeiner rechten, nationalen oder konservativen Zeitschrift, er gehört keiner Partei an, er scheint nicht in Gottfried Küssels Telefonverzeichnis auf, er ist nicht in der Aula-Abonnentenkartei, er ist nicht Mitglied der FPÖ, er ist kein amtsbekannter Ausländerfeind, der sich auf Stammtischen rassistisch oder faschistoid äußerte, er hat das angeblich ausländerfeindliche FPÖ-Volksbegehren "Österreich zuerst" nicht unterzeichnet, er stützt in keiner Weise die Behauptung, daß hier "Terror von rechts" existent wäre. Ebensowenig verbirgt sich hinter Franz Fuchs allerdings die militante Antifa-Szene aus dem Kirchweger Haus oder aus dem Kreise um das Tatblatt. Verschwörungstheoretiker der rechten Seite mögen nunmehr enttäuscht sein, daß Franz Fuchs weder zur Longo Mai-Kommune noch zum Freundeskreis des Herrn Purtscheller gehört. So ein Pech!

Die einmal vordergründig auf jeden Fall zu akzeptierende Erklärung, daß hier ganz einfach ein Psychopath, Opfer einer zunehmend neurotisierten Gesellschaft, vereinsamt sogar im Familienkreise, Gräßliches vollbrachte, Brutalitäten gegenüber unschuldigen Menschen und letztlich gegenüber sich selbst, ist den Verschwörungstheoretikern eben zu wenig. Kein Wunder also, daß insbesondere in linksorientierten Medien krampfhaft nach rechten Zusammenhängen gesucht wird. Und wenn diese nicht gefunden werden, versucht man eben ein assoziatives Umfeld zu schaffen: Die Steiermark sei schon immer ein Boden für rechtslastige Deutschnationale gewesen. Köpfe des "Deutschen Kulturwerks" säßen hier. Und ein ehemaliger Arbeitgeber von Franz Fuchs sei gar ein – welch seltsame Wortschöpfung – "Deutschlandbekenner" und FPÖ-Gemeinderat. Na dann ist ja doch alles klar. Und die Vorstöße von FPÖ-Politikern, daß die mediale und publizistische Antifa-Szene, die sich eigentlich gegenüber der FPÖ und nationalfreiheitlichen Organisationen entschuldigen müßten, sind völlig unbegründet, oder?

Helene Partik-Pablé, altgediente Richterin und FPÖ-Politikerin, hat eine solche Entschuldigung der Justiz gegenüber den Aula-Abonnenten verlangt und der freiheitliche Generalsekretär Peter Westenthaler insgesamt gegenüber der FPÖ. Diese sei – und das ist ja nicht zu leugnen – in den letzten Jahren immer wieder mehr oder weniger deutlich als der eigentliche Verantwortliche, zumindest im politisch-atmosphärischen Bereich für die unselige Briefbombenserie abgestempelt worden.

Was auch immer Franz Fuchs, Bombenleger und Bombenopfer gegenüber den ermittelnden Behörden noch aussagen wird, erfreulich ist jedenfalls, daß nunmehr langsam Klarheit in die geheimnisvolle und umstrittene Briefbombenaffäre zu kommen scheint. Mit aller Entschiedenheit muß verlangt werden, daß auch tatsächlich alle Hintergründe ausgeleuchtet werden. Sollte Franz Fuchs ein psychopathischer Einzeltäter und Einzelgänger sein, müssen die gesellschaftlichen Wurzeln für die Taten untersucht und bekämpft werden. Sollte er Hintermänner und Mittäter haben, gilt es, diese und ihre Ziele schonungslos offenzulegen.

Ob es hier nur einige weitere Psychopathen gibt oder doch politisch oder geheimdienstlich motivierte Kreise, die Öffentlichkeit muß es erfahren. Auch wenn die Ergebnisse dieser Recherchen herrschenden Kreisen womöglich nicht besonders liebsam sind. So oder so, die Wahrheit ist zumutbar.


 
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