© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/97  26. September 1997

 
 
Hamburgwahl: Katerstimmung bei Republikanern und BFB
Umfassender Boykott
von Hanno Borchert

Von ungläubigem Staunen und maßloser Enttäuschung ist der Raum erfüllt, als die erste Hochrechnung über den Bildschirm flimmert. Was sich für die Republikaner vor vier Jahren noch so gut mit 4,8 Prozent angelassen hatte, endet nun vorerst in einem Debakel. Zuerst 1,6 Prozent, die sich später am Abend noch ein wenig auf bescheidene 1,9 Prozent steigern werden, sind die karge Ausbeute eines mit geringem Einsatz geführten Wahlkampfes in der Hansestadt. Da hilft nur noch das aufgebaute Buffet, um den Frust mit Kalorien zu bekämpfen.

Fast der gesamte Bundesvorstand ist nach Hamburg gekommen und muß konstatieren: hier sind im Vorfeld der Wahl Fehler gemacht worden – und die nicht zu knapp. So sind die Republikaner im Stadtbild kaum präsent gewesen. Außer einigen Informationsständen jeden Samstagsmorgen und dem Verteilnen von Werbematerial war der Wahlkampf von einer auch für die Wähler sprübaren Lustlosigkeit gekennzeichnet.

In seiner Rede übernimmt Schlierer ("Wir haben unser Wahlziel deutlich verfehlt") einen Teil der Verantwortung für den mißlungenen Wahlkampf, der aufgrund fehlender personeller und finanzieller Kapazitäten sowie Streitereien im Hamburger Landesvorstand der Partei zu einem nicht unerheblichen Teil aus Stuttgart mitbestimmt wurde. Schlierers aufmunternder Ruf "Nicht verzagen!" tröstet die völlig konsternierten Hamburger Kandidaten nur wenig. Ist doch der eine oder andere darunter, der sich schon mit rund 7 bis 8 Prozent der Stimmen auf den Sesseln der Hamburger Bürgerschaft oder einem Stuhl in einem der sieben Hamburger Bezirke sitzen gesehen hat.

Nach der ersten Hochrechnung packen auch die anwesenden Vertreter von Presse und Fernsehen ihre sieben Sachen zusammen und ziehen von dannen. Ihre Bilder von den von Wut, Entsetzen und Trauer geprägten Gesichtern haben sie im Kasten. Immerhin waren Journalisten vom Norddeutschen Rundfunk, von taz, Spiegel und stern erschienen. Eine bemerkenswerte Präsenz, hatten die Medien sich doch während des Wahlkampfes generalstabsmäßig über die Partei ausgeschwiegen. Selbst bezahlte Anzeigen wurden von den Hamburger Tages- und Wochenzeitungen nicht entgegengenommen. Ein umfassender Boykott.

Nur einmal an diesem Abend kommt so etwas wie Stimmung auf, als Bürgermeister Voscherau erklärt, daß er von seinem Amt zurücktritt. Das Abschneiden der Deutschen Volksunion (DVU) wird dagegen verbittert und kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen.

Auch im Bürgerbüro des Bundes Freier Bürger (BFB) gleich hinter dem Rathaus kann vor 18 Uhr von einer Aufbruchstimmung kaum die Rede sein. Der Saal ist nicht einmal, wie erwartet, proppevoll; auch sind hier, zumindest erkennbar, keine Medienvertreter auszumachen. Vom Bundesvorstand des BFB sind Parteichef Manfred Brunner und sein Stellvertreter Bernd-Thomas Ramb in Hamburg.

 

Erstarrte Gesichtszüge bei der ersten Hochrechnung

Als der BFB zum ersten Mal in einer Hochrechnung überhaupt erwähnt wird, erstarren die Gesichtszüge der BFB-Mitglieder und Anhänger. Lediglich 1,3 Prozent oder 10.863 Stimmen sind es, die der nationalliberale Bund trotz eines enormem finanziellen Aufwands einzusammeln vermochte. In einer ersten Analyse erläutert der Bundesvorsitzende Brunner, daß "die Umstrukturierung der bürgerlichen Mitte mehr Zeit brauche". Er spricht von einem langfristigen "linearen Prozeß".

Der Landesvorsitzende Kristof Berking bemerkt, daß die Sympathiewerte größer sind als das tatsächliche Wahlergebnis. Auf diese Werte hieße es in Zukunft aufzubauen. Daß der Hamburger Spitzenkandidat an diesem Abend mit einigen Prozentpunkten mehr gerechnet hat, ist jedoch nicht zu übersehen.


 
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