© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/97  26. September 1997

 
 
Anziehungsland
von Bernd-Thomas Ramb

Das Kapital flüchet aus Deutschland, ausländische Investoren verlassen Deutschland, Arbeitsplätze werden aus Deutschland verlagert, deutsche Steuergelder werden zu Höchstsummen in das Ausland transferiert. Gibt es denn gar nichts Positives zu vermelden, etwas, das diesen Trend durchbricht? Aber ja doch, Deutschland ist als Wohn- und Aufenthaltsort ungebrochen beliebt. Die Migrationsbewegungen nach und aus Deutschland zeigen anhaltend positive Saldenwerte. Die letzten sieben Jahre zeigen einen nur geringfügig nach unten gerichteten Trend bei den Zuzugszahlen. Um durchschnittlich jährlich 100.000 sank die Einwanderung von 1,6 Millionen im Jahr 1990 auf knapp eine Million im vergangenen Jahr. Die Auswanderungszahlen schwankten in diesem Zeitraum um jährlich 650.000. Per Saldo wuchs damit die Wohnbevölkerung in Deutschland auch im letzten Jahr um zirka 300.000 Zugezogene. Der Spitzenwert der Migration von einer Million im Jahre 1990 ist zwar deutlich abgebaut, der Zuzugstrend dürfte aber auch die nächsten Jahre anhalten, wenn der langsame Abbau die bestehende Geschwindigkeit beibehält.

Es sind natürlich nicht nur zuvor ausgewanderte Deutsche, die Jahr für Jahr in ihre alte Heimat zurückkehren. Auch die Einwanderung der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion bildet nur einen Teil der Zuzugsmasse. Die Gruppe der Spätaussiedler wurde per "Kriegsfolgenbereinigungsgesetz" 1991 drastisch auf maximal 220.000 jährlich begrenzt, nachdem zuvor bis zu 400.000 jährlich nach Deutschland strömten.

Der Hauptteil der Zuwanderer kommt aus dem Ausland, präzise aus dem nicht EU-europäischen Ausland. Bis zum Anfang dieses Jahres betrug der Gesamtzuzug 7,3 Millionen Ausländer. Davon zählen 3,2 Millionen zu den Alteingesessenen, die in den siebziger Jahren aus Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und der Türkei nach Deutschland kamen, um die Nachfrage nach Arbeitskräften zu befriedigen.

Diese und weitere 2,3 Millionen haben eine volle Aufenthaltsgenehmigung oder sind von einer Erlaubnis befreit. Die restlichen 1,8 Millionen sind ausreisepflichtig oder werden ohne Aufenthaltserlaubnis geduldet.

Die insbesondere mit dem Anstieg der letzten Gruppe verbundene hohe Belastung der Sozialhilfebudgets beeinträchtigt nicht nur die kommunalen Haushalte. Sie strapaziert auch das grundsätzlich freundschaftliche Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu Ausländern. Vor allem die alteingesessenen ausländischen Einwohner, die unter der anhaltenden Wirtschaftsflaute schon besonders leiden müssen, verdienen eine differenzierte Betrachtung.


 
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