© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/97  26. September 1997

 
 
Ökologischer Landbau: Ein Beitrag zum Schutz der Natur und Umwelt
Gesunde Lebensmittel
von Gerhard Quast

Der Aufbau eines vielfältigen Betriebsorganismus mit weitgehend geschlossenen Stoff- und Energiekreisläufen, der strikte Verzicht auf naturfremde Stoffe wie leichtlösliche Mineraldünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, die Ernährung der Tiere mit selbsterzeugten Futtermitteln, eine angepaßte Bodenbearbeitung, die gezielte Förderung eines vielfältigen Bodenlebens und die Ausgeglichenheit der Nährstoffbilanzen, der Verzicht auf Biozide und chemisch-synthetische Tierarzneimittel, die Förderung standortangepaßter Tier- und Pflanzenarten (besonders im Hinblick auf Schädlingsresistenz und Tiergesundheit), die bewußte Landschaftsgestaltung durch Biotoperhaltung, ein geringer Fremdenergieeinsatz, die Förderung regionaler Vermarktungsstrukturen, die Ablehnung der Gentechnik und – nicht zu vergessen – die Beachtung tierartspezifischer Bedürfnisse und ethischer Gesichtspunkte bei der Nutztierhaltung: Das sind in groben Zügen die wichtigsten Grundsätze des ökologischen Landbaus, wie sie in Deutschland von den in der ArbeitsGemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL) zusammengeschlossenen neun Verbänden und der Stiftung Ökologie & Landbau festgeschrieben wurden.

 

Gentechnik wird in Deutschland abgelehnt

Vergleichbare Richtlinien hat die Europäische Union (EU) in ihrer "Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel" fixiert. Diese 1991 erarbeitete "Bio-Verordnung" ist europaweit seit dem 1. Januar 1993 in Kraft und für alle EU-Länder verbindlich, also alle ökologisch bewirtschafteten Betriebe müssen, um anerkannt zu werden, gegenüber staatlichen Behörden einen Nachweis erbringen, daß sie die Bedingungen der "Bio-Verordnung" einhalten.

Die in Deutschland von der SOL erarbeiteten Richtlinien gehen allerdings in einigen Bestimmungen weiter als die EU-Verordnung. Des weiteren sind diese Rahmenrichtlinien für die Erzeugung und Verarbeitung von Öko-Lebensmitteln als Mindeststandard bindend für alle neun Mitgliederverbände der AGÖL. In der Praxis bedeutet das, daß die Verbände sich zum Teil weit strengere Richtlinien gegeben haben, so daß die Angaben der AGÖL über die Anzahl der Betriebe und Größe der ökologisch bewirtschafteten Fläche sich von denen des Bundeslandwirtschaftsministeriums unterscheiden.

Nach Angaben der AGÖL bewirtschafteten Ende 1996 unter Zugrundelegung ihrer Rahmenrichtlinien insgesamt 6.456 Öko-Betriebe eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 326.856 Hektar. Das entspricht 1,2 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe beziehungsweise 1,9 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Zusätzlich zu den in der AGÖL zusammengeschlossenen Mitgliederbetrieben arbeiten noch zahlreiche weitere Höfe nach den EG-Richtlinien zum ökologischen Landbau, so daß in Deutschland Ende vergangenen Jahres insgesamt 7.353 Öko-Betriebe rund 354.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche nach Regeln des ökologischen Landbaus bewirtschafteten. Diese Angaben machte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Frankfurt/M. im Juli in einem vom Bundesernährungsministerium in Auftrag gegebenen Bericht an die Europäische Kommission in Brüssel. Der Anteil an der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe betrug demzufolge 1,3 Prozent, der an der landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands 2,0 Prozent.

 

Österreich ist absoluter Vorreiter in Europa

Gegenüber dem Jahreswechsel 1995/96 produzierten somit im vergangenen Jahr 711 Betriebe (10,7 Prozent) mehr. Die Fläche, die nach EU-Standard bewirtschaftet wird, nahm im gleichen Zeitraum um fast 45.000 Hektar (14,5 Prozent) zu.

Ein Blick ins benachbarte Ausland macht die Relationen deutlich: Äußerst bescheiden sieht es bei unserem Nachbarn Luxemburg aus. Von den beiden Anbauverbänden Biolabel und Demeter werden lediglich 21 Betriebe mit einer Gesamtfläche von 625 Hektar betreut, was einem Anteil an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche von nur einem halben Prozent entspricht. Weit besser sieht es in der Schweiz und Österreich aus. Die Eidgenossen bewirtschaften jeweils sechs Prozent der Betriebe und der landwirtschaftlichen Nutzfläche nach ökologischen Anbaumethoden. In absoluten Zahlen sind das 4.648 Betriebe mit einer Gesamtfläche von knapp 70.000 Hektar (Stand: 1.1.1997). Bei unserem deutschsprachigen Nachbarn sind es sogar 15.880 oder umgerechnet sechs Prozent aller Betriebe, die sich der Ökolandwirtschaft verschrieben haben. Die von diesen bewirtschaftete Gesamtfläche beträgt 197.594 Hektar (Stand: 1.1.1996). Mit einem Anteil von 7,6 Prozent ist Österreich somit in Europa absoluter Vorreiter in Sachen Ökolandbau.

Daß auch in Deutschland ökologischer Landbau eine berufliche Chance für die Bauern ist, macht Mecklenburg-Vorpommern deutlich: Noch vor sechs Jahren gab es zwischen Elbe und Oder lediglich sechs Betriebe, die nach ökologischen Kriterien wirtschafteten. Innerhalb von nur wenigen Jahren ist diese Zahl auf über 500 angewachsen, die eine Fläche von insgesamt 108.600 Hektar bewirtschaften. 67.000 Hektar entfallen davon auf Grünland, 41.000 Hektar werden als Ackerland genutzt. Der Viehbestand auf Biohöfen beträgt nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums 72.800. Im Vergleich zu anderen Bundesländern wird deutlich, daß Mecklenburg-Vorpommern in nur wenigen Jahren zur Nummer eins beim ökologischen Landbau geworden ist: sieben Prozent aller Agrarflächen werden nach diesen Prinzipien bewirtschaftet, ein Ende dieses Booms ist nicht in Sicht.

 

Mecklenburg-Vorpommern hat die meisten Biohöfe

Daß in Mecklenburg-Vorpommern bereits sieben Prozent, bundesweit jedoch nur zwei Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche auf Grundlage umweltschonender Methoden bearbeitet werden, hat nun den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf den Plan gerufen. Hubert Weiger, Sprecher des Arbeitskreises Landwirtschaft beim BUND, möchte der naturverträglichen Landwirtschaft auf die Sprünge helfen. Gemeinsam mit einem guten Dutzend fachkundiger Autoren hat Weiger die Tauglichkeit des Biolandbaus untersucht. Das Ergebnis der von Hubert Weiger und Helga Willer vorgelegten Studie "Naturschutz durch ökologischen Landbau" (Bad Dürkheim, 1997): Nur eine ressourcenschonende, nachhaltige und deshalb ökologische Landwirtschaft kann auf Dauer Flora, Fauna und die Bodenfruchtbarkeit erhalten und das Grundwasser schützen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen