© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/97  12. September 1997

 
 
Österreich: Die Freiheitlichen bestimmen die innenpolitischen Themen
Haiders heißer Herbst
von Andreas Mölzer

Die politische Herbstsaison steht wieder einmal ganz im Zeichen eines freiheitlichen Vorstoßes gegen die Regierungspolitik. Während die rot-schwarze Koalition eine Aufklärungskampagne über den Euro startet, von der Kritiker meinen, es sei in Wirklichkeit eine reine Imagewerbung, wollen sich Haiders Freiheitliche als Schützer des harten Schillings und damit als Kämpfer gegen einen Ausverkauf österreichischer wirtschafts- und fiskalpolitischer Interessen profilieren. Wie anders als durch ein Volksbegehren?

Politische Beobachter sind sich einig, daß Haider damit in erster Linie einen Zwischenwahlkampf führt, der ihm bei den nächsten Nationalratswahlen zur Erlangung seines zentralen politischen Ziels, zum Durchbruch in die Regierung nämlich, verhelfen soll. Ob dem Volksbegehren selbst dabei ein beachtlicher Zuspruch gewährleistet sein wird, ist nachgerade zweitrangig. Wichtiger dürfte es Haider und seinen Politstrategen sein, mit dem Volksbegehren für Polarisierung zu sorgen und die Themenführerschaft im Lande zu wahren. Im Bewußtsein des Wahlbürgers dürfte schließlich dann bei den Nationalratswahlen des Jahres 1999, das aller Voraussicht nach nicht zuletzt durch die Schwierigkeiten um die Einführung des Euro geprägt sein dürfte, ein Bonus für die Freiheitlichen übrigbleiben. Ein wesentlicher Faktor, der Jörg Haider den Sprung ins Kanzleramt ermöglichen könnte, trennen ihn doch nach den aktuellen Umfragen kaum mehr fünf Prozent von Viktor Klimas SPÖ. Die kurz- und mittelfristig auf Erfolg ausgerichtete Strategie Haiders birgt allerdings längerfristig und vom Grundsätzlichen her Sprengsätze, die die wirkliche politische Gestaltungskraft seiner Partei zunichte machen könnten: Nicht so sehr die Konfrontation mit den Sozialdemokraten ist es hier, sondern der tiefer werdende Dissens zum einzig möglichen Partner für eine bürgerliche, nichtsozialistische Koalition, zur ÖVP.

Gerade in der Auseinandersetzung um den Euro wird Haider nämlich zwangsläufig wirtschaftspolitische Glaubwürdigkeit einbüßen und ÖVP-nahe Wirtschaftskreise vor den Kopf stoßen. Die nahezu unumgängliche argumentative Vereinfachung, die im Zuge von Kampagnen zu einem Volksbegehren üblich sind, läßt diesen Schluß jetzt schon zu. Dabei ist die Situation der Volkspartei, die die sommerliche Diskussion über ihren Parteivorsitzenden gerade noch abgebogen hat, auf absehbare Zeit so, daß ein geheimes Liebäugeln mit einem Wechsel des Koalitionspartners logisch ist.

Die vage Hoffnung, im Jahre 1998 mittels der Präsidentschaft innerhalb der Europäischen Union einen Popularitätsschub für ÖVP-Außenminister Wolfgang Schüssel zu erlangen, dürfte den Abwärtstrend der Christkonservativen kaum aufhalten.

Allzu sehr tragen sie als Juniorpartner in der Regierung an der Last der notwendigen und unpopulären Spar- und Reformmaßnahmen. Allzu wenig können sie ihre Verdienste an Erfolgen der Regierung dem Wähler verkaufen. Der Wechsel zu einer entstigmatisierten Haider-FPÖ würde also einer inneren politischen Logik entsprechen, die im Zuge langjähriger politischer Auseinandersetzung zwischen Spitzenkräften der ÖVP und FPÖ angewachsenen Dissonanzen, welche sich im Zuge der Euro-Auseinandersetzung zweifellos noch verstärken werden, machen ein solches Szenario aber zunehmend schwierig.

Die erfolgsorientierte und auch erfolgsträchtige Taktik Jörg Haiders bedürfte also der strategischen Ergänzung, um Glaubwürdigkeit nach innen und nach außen zu gewinnen. Sachpolitische Glaubwürdigkeit und menschliche Verläßlichkeit gegenüber potentiellen politischen Partnern für die Zukunft wird jedenfalls die Voraussetzung für reale Regierungsverantwortung sein. Menschliche und ideologische Glaubwürdigkeit nach innen wird darüber hinaus die Voraussetzung für eine längerfristige Stabilisierung der allzu rasch angewachsenen freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft sein.

Der im Herbst geplante Programmparteitag der Freiheitlichen wird nach einer kontroversen Diskussion die Nagelprobe für Jörg Haider und seine Spitzenleute im Hinblick auf diese innere Glaubwürdigkeit sein. Damit aber steht nicht nur die Innenpolitik vor einem von Haider bereiteten heißen Herbst, sondern auch der Oppositionschef selbst vor einer heißen Periode der Bewährung.


 
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