© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/97  05. September 1997

 
 
Hamburg: Bei den Etablierten grassiert die Angst vor rechten Parteien
"Wir sind geschiedene Leute"
von Michael Adam

Im Hamburger Wahlkampf geht es drunter und drüber, kreuz und quer. So wirbt der frühere Erste Bürgermeister der Hansestadt, der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi, nicht etwa für seine eigene Partei – sondern für die FDP. "Eine sozial-liberale Koalition wäre eine sehr gute Konstellation für Hamburg", erklärte von Dohnanyi. Und: "Ich wünsche mir, daß die FDP ins Rathaus zurückkehrt. Aber das wird nicht leicht." Bei der Wahl vor vier Jahren scheiterten die Liberalen mit 4,2 Prozent der Stimmen an der Fünf-Prozent-Hürde. Eine Umfrage des Emnid-Instituts sieht die FDP bei derzeit rund drei Prozent.

Von der eigenen Parteiführung im Stich gelassen fühlen sich die Hamburger PDS-Genossen. Weil sie sich gegen den erklärten Willen der PDS-Spitze an der Bürgerschaftswahl beteiligen, versagt ihr die Bundespartei jede materielle und personelle Unterstützung; weder PDS-Chef Lothar Bisky noch der Gruppenvorsitzende im Bundestag, Gregor Gysi, wollen sich im Wahlkampf in der Hansestadt blicken lassen.

Unterdessen grassiert bei den Etablierten die Angst vor einem Wahlerfolg rechter Parteien. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Krista Sager, will beobachtet haben, daß sie sich auch optisch in der Stadt "so dickmachen, wie es im letzten Wahlkampf nicht möglich war". Den Republikanern räumte sie sogar größere Chancen als der FDP und Statt Partei ein, in die Hamburger Bürgerschaft einzuziehen. Diese Auffassung teilt auch der CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust. In einem Interview mit einer Hamburger Regionalzeitung schätzte er das Wählerpotential der rechtenParteien auf "bis zu 15 Prozent". SPD-Regierungschef Henning Voscherau geht zwar nicht ganz so weit, rechnet aber ebenfalls mit einem Ergebnis von "über fünf Prozent".

Sein "wahlkämpferisches Waterloo" hat Voscherau nach einem Bericht des Hamburger Abendblatt am Donnerstag vergangener Woche erlebt. Eine Frau zwischen 65 und 70 Jahren, die sich in drastischen Worten über eine verfehlte Ausländerpolitik beschwerte und dafür von den umstehenden Passanten Beifall erhielt, wurde von Voscherau ausdrücklich aufgefordert, nicht die SPD zu wählen: "Mit Ihnen will ich nichts zu tun haben. Wir sind geschiedene Leute."


 
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